Jetzt ist es offiziell, jetzt gibt es eine Meldung des Bundespräsidialamtes und ich kann den Text, den ich aus diesem Anlass geschrieben habe, endlich veröffentlichen. Ergänzen kann ich, dass auch Ilona Scholl den Orden erhält – was selbstverständlich und gut ist. Insofern ist also immer, wenn von Max Strohe die Rede ist, auch Ilona Scholl gemeint. Hier also noch einmal die Texte in Originalfassung.
Gestern am späten Abend hat mir Max Strohe vom „Tulus Lotrek“ eine Mail geschrieben, in der er darauf hingewiesen hat, dass eine „Vorahnung“, die ich in einem Text hier auf www.eat-drink-think.de am 1. April 2020 gemacht hatte, eintreffen wird. Strohe schreibt: „Während des ersten Lockdowns schrieben Sie, es wäre nicht verwunderlich, wenn Strohe mit dem Verdienstkreuz ausgezeichnet würde. Am 1.10. wird das nun geschehen, Ihre Vorahnung bestätigt sich also mal wieder.“
Dazu erst einmal meinen allerherzlichsten Glückwunsch. Ich freue mich natürlich immer, wenn man die Bedeutung von Ideen und Handlungen in der Gastronomie auch an anderer Stelle so hoch bewertet, wie ich das tue. Aber darum geht es hier nicht. Es geht um eine ganz wesentliche Aktion, die das Verhältnis von gehobener Gastronomie und Gesellschaft mit einem Schlag in ein ganz anderes Licht gestellt hat, es geht also nicht nur um die Aktion an sich, sondern auch um das, was sie kommuniziert hat. Heute, in einer Zeit in der viele Dinge sehr viel unklarer sind, als das bei schönem Wetter und prall gefüllten Terrassen vielleicht den Anschein hat, kann ein Zeichen wie die Ehrung für Max Strohe (und mittelbar natürlich für viele andere Köche/Gastronomen) wieder hilfreich sein. Vielleicht geht es auch einmal umgekehrt: vielleicht entsteht die Idee, dass auch die Gastronomie einmal etwas Unterstützung braucht, dass man sich entscheidet, das Weiterleben dieser für buchstäblich alle Menschen so wichtigen kulturellen Institution absichert, dass man bewusst einmal mehr zu einem guten Essen geht oder andere der mittlerweile vielfältigen Aktivitäten der Branche unterstützt – nicht als demonstrative Hilfeleistung, nein, ganz normal und mit einem Gefühl für wichtige Zusammenhänge, ganz so spontan und selbstverständlich, wie Max Strohe und seine Freunde ihre Aktion im letzten Frühjahr angegangen sind.
Ich möchte heute noch einmal einige Passagen aus dem Text vom April 2020 zitieren. In dem Text werden die Zusammenhänge und die Wichtigkeit der Aktion noch einmal deutlich gemacht.
Warum Max Strohe gerade sehr viel Gutes tut. Eine Würdigung.
(erstmals veröffentlicht bei www.eat-drink-think.de, 1.4.2020)
Jetzt dürfte es endgültig bundesweit nicht mehr zu übersehen sein: Max Strohe, Koch vom kreativen Sternerestaurant „Tulus Lotrek“ in Berlin, hat mit seiner Aktion „Kochen für Helden“ sehr, sehr großes Aufsehen erregt. Gestern gab es zum Beispiel im Hauptteil der Süddeutschen Zeitung in der Rubrik „Profil“ ein Porträt von ihm und seiner Aktion, und im ZDF lief mehrfach ein Film von Hamburger Kollegen, die es ihm – unter Hinweis auf seine Urheberschaft und wie in diversen Städten – nachtun und ebenfalls für diejenigen kochen, denen im Moment die Hauptlast bei der Bewältigung der Corona-Krise zufällt. Es dürfte nicht verwunderlich sein, wenn Strohe am Ende des Jahres das Bundesverdienstkreuz bekommt. Die Geste ist einfach prächtig – sehr menschlich und sehr sinnvoll. Und – sie passt zu Max Strohe, zu seinem Denken, zu seiner Herkunft und auch zu dem, wie er seine eigene Küche und ihre Rolle in der Gesellschaft sieht. Und weil das so gut zusammenpasst und weil sich daraus auch noch andere Dimensionen ergeben, lohnt ein Blick auf ein paar wichtige Punkte.
Zur Person: was da zusammenkommt
Es verwundert nicht, dass es ausgerechnet Max Strohe ist, der auf diese Idee gekommen ist. Einmal ist das Feeling in seinem Viertel in Kreuzberg natürlich entsprechend bodenständig und solidarisch – zumindest was die Vielen dort betrifft, bei denen Solidarität ein Wert ist. Zum anderen passt das alles sehr gut zum bisherigen Leben eines Kochs, der eben nicht den typischen Weg eines Spitzenkochs genommen hat, also nicht schon seit der Ausbildung darauf geschielt hat, immer bei den „richtigen“ Zwei- oder Drei Sterne-Köchen zu arbeiten. Strohe kommt aus einer sehr praktisch orientierten Gastronomie und hat Kochen unter allen möglichen Umständen und unter ganz unterschiedlichen Qualitätsanforderungen gelernt. Er ist sozusagen kein zartes kreatives Pflänzchen, sondern weiß selbstverständlich auch, wie man aus allem möglichen Material und unter allen möglichen Umständen etwas Gutes produzieren kann.
Seine Bodenständigkeit, die im übrigen nicht unbedingt eine rein großstädtische-Szenen-Bodenständigkeit ist, kann man vielleicht am besten mit zwei kleinen Anekdoten belegen. Als er – und natürlich immer auch seine Lebensgefährtin Ilona Scholl – in Berlin so langsam auf die Idee kamen, vielleicht ein eigenes Restaurant zu eröffnen, war man einmal bei Daniel Achilles im „Reinstoff“. Wie war die Reaktion? „Das schaffen wir nie!“, sagten sich die beiden. Heute sind sie da näher dran, als sie das vielleicht selber glauben. Oder: erst nach der Eröffnung fuhren sie dann einmal nach Stockholm zu Björn Frantzèn, nur um sich auch dort in deutlicher Unterschätzung ihrer Fähigkeiten zu fragen, ob sie angesichts solch überragender Leistungen „ihren Laden nicht gleich wieder schließen“ sollten. Das war und ist keine Koketterie, sondern aus einer Haltung entstanden, die gegenüber den eigenen Fähigkeiten immer sehr zurückhaltend ist und keinesfalls dazu neigt, Irgendetwas bei sich überzubewerten. Auf diese Weise kann man sehr, sehr gut werden, weil ein strenger, eigener Maßstab, regelmäßig an die eigenen Leistungen angelegt, im Grunde der beste ist.
Ein großer Nebeneffekt: Max Strohe kann die öffentliche Meinung gegenüber der Spitzenküche ändern
Zu den Dingen, die ich in Diskussionen mit Chefredakteuren und Redakteuren und anderen „Gatekeepern“ in Sachen Spitzenküche vielleicht am häufigsten vorgebracht habe, gehört der Hinweis darauf, dass sehr viele Spitzenköche sehr bodenständig sind und keinerlei Starallüren haben. Es gehört aber leider zu den hartleibigsten Reaktionen, dass viele von diesen Leuten in dieser Richtung einfach nichts hören wollen und statt dessen die alten Vorurteile von der überzüchteten Luxusgastronomie pflegen. Da werden seitenlang irgendwelche Schriftsteller und sonstige Künstler trotz besseren Wissens und Millioneneinkommens als einfache Leute vom Land verkauft, um den Anschein von Volksnähe (und natürlich entsprechender Kommerzialität) zu erwecken. Bei Köchen, deren beste Vertreter ja schließlich zu einer verschwindend kleinen Elite eines Landes zählen, pflegt man dagegen vor allem den abgestandenen Dünkel gegenüber Leuten, die nicht den gleichen Kulturkonsum haben wie man selber.
Max Strohe kann mit seiner Aktion und der Verbindung mit einer kreativen Spitzenküche eine enorm positive Wirkung erzielen, die vielen Leuten vielleicht endlich einmal klar macht, wie die Szene – vor allem in ihrem jungen, kreativen Teil – gestrickt ist. Bei der Einschätzung von Köchen wie Strohe und vieler seiner Freunde und Kollegen, greifen die alten Klischees nicht mehr. Das sollte und wird ein Nebeneffekt der Aktionen sein, der nicht unterschätzt werden sollte. Hier sind Leute am Werk, die glaubhaft sozial denken, die überhaupt glaubhaft sind, die selber mit Hand anlegen und nicht nur dann, wenn ein Fotograf in der Nähe ist, die nicht nur aus ihren Villen heraus Spenden schicken, sondern eine praktische Solidarität üben, die ihrem Wesen entspricht. Und diese Ehrlichkeit, dieses klare, unverkrampfte Verhältnis haben sie eben auch zu ihrer „normalen“ Arbeit, die nun darauf wartet, endlich einmal ohne Missverständnisse verstanden zu werden. Da hat Strohe vielleicht einen sehr großen Stein ins Rollen gebracht.
Noch einmal von allen Leuten bei www.eat-drink-think.de unsere herzlichsten Glückwünsche!
Fotos: Thomas Ruhl, www.port-culinaire.de