Die Schließung des Drei Sterne-Restaurants La Vie in Osnabrück holt ganz schnell eine alte Streitfrage wieder an die Oberfläche. Ja, es ist klar, wenn das La Vie satte Gewinne abgeworfen hätte, wäre es vermutlich nicht geschlossen worden und ja, auf diese kalte Weise wird wieder einmal klar, dass ein Teil der Spitzenküche auf Gedeih und Verderb ihren Financiers ausgeliefert ist. Viele Hotelbesitzer oder Investoren, die nicht so nach dem direkten Gewinn sehen, haben normalerweise gute Gründe, sich trotzdem ein solches kulinarisches Glanzlicht zu leisten, weil es einen enormen Image-Gewinn bringt und sich – quer gerechnet – meist durchaus lohnt. So weit, so schlecht und immer möglichen rein wirtschaftlichen Entscheidungen ausgeliefert. Ich erinnere mich, dass ich bei gegebenen Anlässen z.B. Hoteliers mit Gourmetrestaurants auch schon einmal gerne als Kulturträger gelobt und ihnen für ihren Einsatz zugunsten der Kochkunst gedankt habe. Sie hören das gerne, obwohl sie genau wissen, dass auch bei ihnen in letzter Instanz das Portemonnaie entscheidet.
Wer so etwas seit vielen Jahren nicht so gerne hört, sind Köche, die in den subventionierten Spitzenrestaurants immer eine starke Wettbewerbsverzerrung gesehen haben. Da sagte mir ein deutscher Spitzenkoch einmal, er hätte neben einem der „Hotelköche“ – wie er sie verächtlich nannte – gestanden und gesehen, wie er weiße Trüffel über eine Maronencremesuppe hobelte. So etwas sei kulinarisch vielleicht interessant, sagte er, aber er könne sich das einfach nicht erlauben. Den Preis, den er dafür auf die Karte setzen müsste, könne er nicht abrufen.
Bei manchen Köchen und Gastronomen gibt es – milde ausgedrückt – eine extrem schlechte Laune rund um dieses Thema. Ist es vielleicht so, dass im Moment das Gleichgewicht wenigstens hier und da wiederhergestellt wird, weil eine Reihe von Financiers keine Lust mehr auf Verluste haben und den Glanz eines Spitzenrestaurants für nicht mehr so wesentlich halten?
Ich möchte hier den schon bekannten Argumenten gegen subventionierte Spitzenküche heute aus gutem Grund auch einmal zwei andere Aspekte entgegenstellen.
Die kulinarische Kunstfreiheit ist ein hoher Wert, von der alle Beteiligten profitieren
Es gibt auch in der Kochkunst so etwas wie „Kunstfreiheit“ – wenn auch in einer etwas anderen Form. Wer sagt, dass man mit dem Kochen sein Geld verdienen muss, sagt gleichzeitig, dass man sich – in welchem Ausmaß auch immer – auf das einstellen muss, was die Gäste haben wollen. Wenn man das einmal durchspielt, kommt man da aus, wo das Musical und der Schlager sind, nicht aber Oper und Konzert. Wenn die Gäste also nicht wollen, können auf diese Weise viele Ideen der Köche möglicherweise nicht realisiert werden. „Macht nichts“, wird da vielleicht der ein oder andere Gastronom denken, „das braucht man auch meist gar nicht“. Steht am Ende einer solchen Argumentation eine Welt voller erfolgreicher Gastronomien, die gut verdienen, weil sie das machen, was ankommt? Dann wäre in letzter Instanz McDonald’s ein erstrebenswertes Format. Kein Koch, der auch nur ein wenig an seinen Zunft denkt, kann im Ernst so denken. Wo aber finden dann die kreativen Ausflüge der Kochkunst statt? Bei den wenigen Restaurants, die aus irgendwelchen Gründen genug Geld mit ihren Extremen verdienen?
Wir müssen noch einmal auf das Ganze sehen. Es ist vollkommen klar, dass die kreativsten und besten Köche diejenigen sind, die den größten Einfluß auf die Entwicklung der Kochkunst haben. Neue Ideen, neue Produkte, neue Kochtechniken: alles stammt von ihnen und es verbreitet sich in der Gastronomie bis in die Systemgastronomie hinein. Alle profitieren also von der Existenz von Köchen, die – auf welche Weise auch immer – neue Ideen realisieren können, auch einmal ohne jeden Euro umzudrehen. Diese Köche finden sich vor allem da, wo man sie machen lässt. Und – es sind nicht nur Kreative, die irgendwelche grenzwertige Ideen haben, sondern auch die großen, professionellen Vorbilder (wie Thomas Bühner), deren Qualität Standards setzt. Können wir auf sie verzichten? Nein. Können wir beklagen, dass sie mit ihren – meist ebenfalls subventionierten – Promotionaktivitäten überproportional viel Aufmerksamkeit in den Medien bekommen? Ja. – Es bleibt, dass wir eine Freiheit der kulinarischen Künste brauchen, egal wo und wie.
Ein Blick über den Zaun: fast der gesamte Kulturbetrieb ist subventioniert
Weil Köche ihr Geld in der Regel mehr oder weniger selbst verdienen müssen und jeden Tag eine „Abstimmung mit den Füßen“ durch ihre Gäste erleben, arbeiten sie in Verhältnissen, die quasi der gesamte Kulturbetrieb nicht kennt. Im Kulturbetrieb gibt es Stadttheater oder Opernhäuser, in denen Hunderte von Leuten an den Stücken arbeiten. Es kommt vor, dass sie Produktionen regelrecht in den Sand setzen und diese Produktionen nach wenigen Aufführungen gestoppt werden – weil sie nicht ankommen und/oder vielleicht zu extrem sind. Was passiert? Wird die Arbeit eingestellt und der verantwortliche Regisseur oder Intendant entlassen? Selten. Es kann sogar sein, dass sein künstlerischer Ruf ins Unermessliche steigt und er als mutiger Held der Kultur auch noch berühmt wird. Das Selbstverständnis von Kulturtreibenden in den öffentlich subventionierten Institutionen ist oft unglaublich bis dreist. Auch viele Stars, die mit hohen Gagen die Etats sehr belasten, haben oft komplett aus dem Auge verloren, dass sie ihr Geld vielleicht gar nicht wert sind (also nicht am Markt verdienen), sondern dass die Allgemeinheit sie subventioniert. Wenn man all das streichen würde, was aus öffentlichen Mitteln finanziert wird, gäbe es fast nichts mehr. Und dann gibt es da natürlich auch noch jede Menge Initiativen von Stiftungen und reichen Privatleuten, die von ganzen Museen bis zu Festivals Kultur tragen, wo es zugunsten der Sache Lasten gibt, die die Sache allein nicht tragen kann. Kultur existiert nur, wenn sie unterstützt wird, weil sie einen Input in die Gesellschaft geben soll, der – oft auch politisch – gewollt ist und der ohne diesen Willen nicht stattfinden würde. Das ist ganz normal, und zwar rund um den Globus.
Dass Thomas Bühner im Moment nicht mehr weiter arbeiten kann, ist eine ganz schlechte und bedauerliche Sache. Wohlgemerkt: Da wird ein Haus geschlossen, das mittlerweile auf lange Reservierungslisten verweisen kann und über beste Bewertungen in den Führern verfügt. Ein Drei Sterne-Haus wie das La Vie ist etwas, dass nur unter einer Menge von Anstrengungen (und auch mit Hilfe von vielen hervorragenden Mitarbeitern) zustande kommen kann. Es sollte niemals eine Verfügungsmasse werden, die man per Federstrich von der kulinarischen Landkarte verschwinden lässt.
tja, leisten können muss mans sich. Geht leider nicht wenn einmal essen gehen etwa soviel kostet wie n Monat miete- und, nunja, auch andere Ansprüche sibd, kann ja da nich auflaufen wie ich sonst tue (das ist eher Selbstkritik als ein snobismus-vorwurf.).
Für Museen in Osnabrück gibts den Kukuk. Für essen phallo 😉
Trotzdem schade, kann ja etwas betrauern dass stets von fern bewundert wurde..
besonders da die Art und weise wie dies ablief vermuten lässt dass die holding ihr urmetier so liebt, dass sie nun auch noch ein Herz aus stahl zugelegt hat…aber die Augen immernoch voll gold.
Ich betreibe seit 1981 unser Restaurant, habe seit 1983 ununterbrochen (35 Jahre) ununterbrochen einen Micheinstern, habe nie rote Zahlen geschrieben, eine Jugenstilvilla als bezahltes Eigentum, meine Mitarbeiter stets gut und pünktlich bezahlt und gefördert durch Wein und Bildungsreisen und Geld verdient.
Ich habe den Eindruck, das viele Kollegen Ihren Focus nicht nur auf das legen, was auf den Teller kommt, den schliesslich ist ein Unternehmen da, um Geld zu verdienen, wenn nicht ist man kein Unternehmer, sondern ein Unterlasser!
Heitere Grüsse
Rainer-Maria Halbedel
Wenn schon Milliardäre am Essen sparen müssen …
Aber, im Ernst: Nachdem wir ja nun einiges über die Köche und ihre Geldfäden wissen, an denen manche hängen (Chapeau Herr Moissonier, Herr Raue et al.) – was wissen wir eigentlich über das Publikum? Wer eigentlich bezahlt da das Essen? Gibts da – über die mit bias versehenen eigenen Beobachtungen eigentlich hiebmesser-feste Untersuchungen? Mir kommt es so vor: ein Drittel Spesenritter jedweder Art, ein Drittel Jubiläumsesser für Distinktionsgewinn, ein Drittel Lustesser. Das hat im Aqua natürlich andere Proportionen als im Essigbrätlein. Aber mal als erster Wurf.
Heraus kommt somit eine bereits doppelte Subventionierung von Spitzenküche: durch Mäzene der Köche und durch Spesen bei den Gästen. Weiters subventionieren entweder Restaurants oder andere „interessierte Kreise“ einen großen Teil der Produzenten der „veröffentlichten Meinung“. Dass diese auf dem Teller liegenden Dinge nicht thematisiert und noch nicht einmal mitgedacht werden, wenn es doch um „Geld und Arbeit und Vergnügen“ geht, ist wunderlich, oder?
so sehr ich mir einen rettungsschirm für das la vie gewünscht hätte- ich bin mir nicht sicher, ob subventionen die ökonomische situation deutscher spitzenrestaurants nachhaltig erleichtern könnten. was fehlt, ist ein kulinarisches bewusstsein. während es zum guten ton bildungsaffiner menschen gehört, in oper, klassisches konzert und theater zu gehen, über aktuelle ausstellungen etc zumindest informiert zu sein, fällt spitzenküche da bei den meisten aus dem raster. letzte woche auf einer geburtstagsparty: gäste kultivierte, gebildete menschen, ärztinnen, anwälte, teuer und geschmackvoll gekleidet. gesprächsthemen kunst, literatur, besuche musikalischer festivals wie bayreuth, salzburg, erl; urlaubspläne für den sommer etc. von einem bemerkenswerten restaurantbesuch keine rede. in den köpfen vieler zeitgenossen findet einfach keine spitzenküche statt, das ist das problem. ob da subventionen helfen, ist mir schleierhaft.
Vielen Dank, so ist es. Abhilfe gibt es vor allem durch einen konsequent durchgezogenen Imagewandel – nicht bei der Küche, sondern bei der Bewertung derer, die sie missachten. Leute, die sich aller möglichen Kulturgüter gerne als Stütze ihres Selbstbewusstseins bedienen, gleichzeitig von gutem Essen und den kulinarischen Spitzenleistungen keine Ahnung haben, müssen als eine Art dumme Analphabeten dastehen. Wenn sie nach Frankreich oder Spanien kämen, würden sie das schon heute. Ich persönlich nenne Leute aus dem Kulturbetrieb mit Ess-Schwäche übrigens gerne Scheinintellektuelle. Ist es nicht so, daß man, wenn man einen wirklich wachen Geist hat, auf Alles mit Interesse reagiert, was interessant ist? Würde man übersehen, wenn in einer Ausstellung von Laienmalern ein ganz großes Talent auftaucht?
Übersehen, wenn ein Straßenmusiker konzertreif spielt? Wem zu den exzellenten Leistungen unserer besten Köche nichts einfällt, hat ein Bildungsdefizit.
Ein berechtigter Blick auf das Kulturgut Lebensmittel und die *** Küche – Chapeau Jürgen Dollase
Guten Tag,
Ihr Artikel bringt es auf den Punkt.
Das Restaurant La Vie war ein Juwel.
Ein sehr gut laufendes Restaurant, auf das wir Osnabrücker stolz wie Bolle waren. Die Mitarbeiter strahlten Glück und hohe Zufriedenheit aus, obwohl sicherlich Null Privatleben übrigblieb.
Der Patron ein beliebtes Mitglied unserer guten Nachbarschaft.
Großzügig, herzlich und zuvorkommend.
Immer ansprechbar.
Die amerikanische Trump Politik bringt den Einführ von Billigstahl aus China mit sich.
Die Georgsmarienhütte Holding bereitet sich darauf vor.
Personal wird vermutlich unter diesem Vorwand abgebaut.
Da macht es sich besser wenn man den Betrieb des Edelrestaurants mal eben einstellt.
So sieht das aus.
Die Art und Weise wird sie einholen.
Denn ich bin mir sicher, dass genauso eines Tages mit jedem Einzelnen umgegangen wird.
Warum hebt man sich nicht ab und regelt Dinge mal anders?
Mit Stil.
Eine traurige aber klar denkende Nachbarin aus Osnabrück
Ich denke das man ohne Sponsor, einen Restaurant der gehobene Gastronomie betreiben kann.
Mann muss vielleicht etwas konsequent arbeiten, Geld verdienen und bescheiden bleiben…
Wir in Köln fahren liebere rally als formule1, gehen aber unseren Weg konsequent und das seit 31 Jahren (ohne Sponsor)!
Vincent moissonnier
Lieber Herr Moissonnier,
ja, das sehe ich auch so. Im Prinzip bin ich der Meinung, daß jeder Koch sein Geld verdienen sollte. Das hat einfach auch psychologisch eine wichtige Bedeutung. Mit „Geld verdienen“ meine ich aber nicht unbedingt, daß das Programm im Hauptrestaurant an die Publikumswünsche angepasst werden sollte. Ich habe immer dafür plädiert, daß hervorragende Köche ihr Wissen in andere, preisgünstigere und/oder populärere Formate einfließen lassen sollten. Das würde Allen dienen.
Als Ökonom sehe ich Subventionen immer kritisch. Im Kulturbereich scheint es aber nicht ohne zu gehen. Im kulinarischen Bereich scheint es dagegen nicht mit Subventionen zu gehen, zumindest nicht mit den staatlichen. Ach, wie groß wäre der Aufschrei in Deutschland, wenn es Subventionen für Sternerestaurants geben würde. Auch wenn das unstrittig Kusnst ist sind wir da nun einmal auf die privaten Mäzene angewiesen.
Und so sehr ich mich freue, dass der Besuch in einem Sternerestaurant immer noch preiswert ist (nicht günstig), frage ich mich dann aber auch, warum ein Restaurant, das aber auf Monate hin ausgebucht ist, zwar Miese macht, aber trotzdem nicht einfach die Preise anhebt? Hier sagt der Ökonom, dass immer dann, wenn die Nachfrage größer ist als das Angebot, die logisch Folge eine Preisanhebung ist. Dann würden die Gäste, die nicht so viel bezahlen wollen, eben in die Restaurants mit zwei oder einem Stern abwandern, die ihre Preise noch nicht angehoben haben. Und dann hätten alle etwas davon. Die Gäste den Restaurantbesuch, die 3-Sterne-Restaurants höhere Einkünfte, und die anderen Restaurants mehr Gäste.
Hallo,
ich bitte um einen Bildautoren-Vermerk.
Das Portrait können Sie gerne nutzen.
Herzlichst,
Niklas Thiemann
Dass der Kulturbetrieb Subventionen verbraucht ist wohl richtig. Aber wer profitiert davon ? Die sogenannten Bildungsbürger. Meist Gutverdiener die das eigentlich nicht benötigen. Warum? Würden diese, nicht auch soviel für eine erstklassige Theater- oder Opernaufführung bezahlen wollen wie die Schülerin , die für ein Robin Williams Konzert zwei Monate in ihrer Freizeit jobben muss.
So würde ich auch in Sterneküchen-Hochkultur von Subventionen abraten. Denn wer allerhöchsten Genuss erleben möchte, der sollte auch den Gegenwert dafür anzulegen haben. Und keine Angst, die Kochkultur, die nach dem höchsten Genüssen strebt, stirbt nicht aus. Sie findet einen Weg einen Genießer zu finden, der die Leistung zu würdigen weiß; nicht nur monetär.
Schon vor Tagen erledigt, Pardon, auch auf meinem Facebook-Account.
Das gute Porträt von Thomas Bühne stammt von Niklas Thiemann
Die Rechtschreibung lässt an einigen Stellen leider zu Wünschen übrig..
Oberlehrer bekommen aber nicht jeden Wunsch erfüllt 😉
Wenn Jan Oberlehrer wäre, ließe auch seine Rechtschreibung nicht zu wünschen übrig.