In den fünfundzwanzig Jahren, in denen ich mit Trüffel gearbeitet habe, gab es immer wieder überraschende Entwicklungen, wie zum Beispiel die Einführung der Sommertrüffel in den Frischemarkt.
Bis zum Anfang der Neunziger Jahre des letzten Jahrhunderts wurden Sommertrüffel prinzipiell schwarz eingefärbt und an die Wurst- und Pastetenindustrie verkauft. Erst ein Verbot dieser Praxis lenkte den Sommertrüffel auf den Frischemarkt.
Eine weitere Entwicklung ist die Entdeckung der Winteredeltrüffel aus Spanien. Ein Land, das Hunderte von Hektaren feinstes Berg- und Hügelland mit Eichen- und Nussbaumsetzlingen bepflanzte, deren Wurzeln mit den Sporen des Winteredeltrüffels geimpft waren. Wenige Jahre später war Spanien der größte Produzent der Welt. Leider ist die spanische Qualität unterhalb der des französischen Winteredeltrüffels, so dass man sich entschieden hat, die Vermarktung des Produkts größtenteils über Frankreich abzuwickeln.
Interessant war auch die Entwicklung und Vermarktung des Trüffels aus China. Lastwagenweise landete dieser geschmacks- und geruchsneutrale Pilz auf den Tellern enttäuschter Feinschmecker. Zuletzt die Entdeckung des Burgundertrüffels. Jahrelang wurde dieser Trüffel als eine spät wachsende Variante des Sommertrüffels gehandelt. Erst die vermehrten Funde dieser Varietät in Deutschland ließen uns lernen, dass es sich um eine eigenständige Sorte handelt.
Etwas hatten all’ diese Neuerungen auf dem Trüffelmarkt gemeinsam. Sie lenkten den Koch, wie den Feinschmecker vom Eigentlichen ab. Das Eigentliche und Wichtige, sozusagen „the real thing“, sind und bleiben die schwarzen Winteredeltrüffel aus Frankreich und die echten weißen Trüffel aus Norditalien. Punkt. Wenn es wirklich darum geht, Trüffel und den damit verbundenen Genuss zu entdecken und zu erleben, dann kommt man um diese beiden Sorten nicht vorbei.
Wenn man es genau betrachtet, haben die Entwicklungen der letzten Jahre dem Produkt geschadet. Fast alle Feinschmecker, die ihre ersten Erfahrungen mit den echten weißen und schwarzen Trüffeln in der richtigen Zeit und in einem guten Restaurant gemacht haben, sind dadurch große Trüffelfreunde geworden und freuen sich nach einem gelungenen Trüffelessen schon auf das nächste.
Der ständige Disput zwischen „geht so“ und Weltklasse.
Alle die, die ihre erste Trüffelbegegnung mit Sommer-, China-, Burgunder- oder spanischem Trüffel gemacht haben, bringen dem Produkt keine große Sympathie entgegen. Die Urteile schwanken zwischen „nix für mich“ und „na ja, ganz lecker“, wobei das zweite Urteil oft an der Kochkunst des Gastgebers, der Unterstützung durch Trüffelöl oder einem glücklichen Fund aus Spanien hängt.
Die neuen Varianten sind zwar durchweg günstiger, zum Teil sogar drastisch, und lassen deshalb eine Fülle von neuartigen Gerichten und Rezepturen, auch für den kleinen Geldbeutel, zu. Aber mit dem kulinarischen Erlebnis vom „real thing“ hat das alles nichts zu tun.
Die neueste Entwicklung auf dem Trüffelmarkt ist das Erscheinen des Australischen Winteredeltrüffels auf dem Markt und der mit ihm einhergehenden neuen Trüffelsaison.
Da der Winter in Australien auf den Juni, Juli und den August fällt, wächst der Trüffel dort, wenn es in Europa keinen gibt. Das ist schon mal interessant. Ob es gut oder schlecht ist, dazu kommen wir später. Es ist auf jeden Fall interessant.
Als ich vor etwa vierzehn Jahren davon gehört hatte, dass ein Konsortium von Winzern und Landwirten aus Westaustralien 13.000 Setzlinge von Haselnuss und Eiche mit französischem Winteredeltrüffel geimpft in Australien einpflanzen möchte, war ich noch sehr skeptisch.
Bis dahin war die gängige Praxis, einheimische Pflanzen zu benutzen, da der Boden fremden Pflanzen gegenüber sehr aggressiv ist und diese dort oft nicht gedeihen. Meine Einwände wurden mit der Aussage, dass man mit sehr viel Arbeit und einigen Lastwagen voller Kalk die Erdchemie des Mutterlandes der Trüffel exakt nachgebaut habe, zerstreut. Ich wünschte viel Glück und harrte der Dinge, die da kommen würden.
In den ersten acht Jahren kam so gut wie gar nichts. Das ist aber normal. So lange dauert das immer, bis ein Setzling die Größe erreicht hat, die er als Wirtspflanze des Trüffels benötigt. Nach acht Jahren wurde man zum ersten Mal fündig. Einige der Haselnusssträucher hatten tatsächlich Winteredeltrüffel produziert. Die Freude war groß, aber die Menge war klein.
Nach neun Jahren, die zweite Ernte. Immer noch wenig, aber mehr als im Jahr zuvor. Das war sehr erfreulich. Es schien tatsächlich zu funktionieren. Nach zehn Jahren wurden die ersten handelbaren Mengen geerntet. Einige davon wurden sogar exportiert. Nach Deutschland – zu mir. Es war noch nicht genug, um das Marketing zu starten, aber mehr als genug, um zu erkennen, dass es sich um ganz feine Ware handelt.
Nach elf Jahren wurden die ersten handelbaren Mengen von uns nach Deutschland importiert. Kistenweise kugelrunde, pechschwarze, hocharomatische Trüffel. Ich habe alles gekauft, was dieser Selektion entsprach. Ich startete das Marketing, indem ich meine Wintertrüffelkunden der letzten Saison kontaktierte und ihnen von den großartigen und hocharomatischen Trüffeln aus Australien erzählte.
Schmarrn oder nicht Schmarrn, das ist hier die Frage
Die Begeisterung hielt sich in Grenzen. Ohne zu probieren, erklärte man mir, dass es jetzt nicht die richtige Zeit sei. Von April bis Juni ist Spargelzeit, dann Erdbeerzeit, dann Pilzsaison, dann Trüffelzeit, und Trüffel aus Australien sind genau so ein Schmarrn wie Spargel oder Erdbeeren aus Südamerika oder Steinpilze aus Südafrika, die dann das ganze Jahr über die Saisonware verfügbar machen.
Natürlich gab es auch ein paar mutige Köche, die den Australischen Winteredeltrüffel probierten und alle waren genau so begeistert wie ich.
Bis dahin hatte ich zwanzig Jahre lang jedem der es hören wollte (und auch jedem, der es nicht hören wollte) erzählt, dass die besten schwarzen Trüffel aus dem Périgord oder der nördlichen Provence stammen und auf meiner bei der Zehn endenden Qualitätsskala, bekamen nur sie die Zehn. Von Zweifeln geplagt, sprach ich mit den erfahrenen Köchen über ihre Einschätzung der australischen Trüffelqualität. Der Tenor war, sie sind mindestens ebenbürtig.
Doch meist war es so, dass die Qualität der Franzosen zwar auch sehr gut war, aber nicht so konstant wie bei den Australiern. Bei den Australiern waren zehn von zehn Trüffeln top. Bei den Franzosen oft nur acht oder weniger von zehn. Ich überlegte, wie ich mit diesen Informationen umgehen sollte und kam zu der Lösung, dass ich über die Grenzen hinaus denken muss. Auch wenn meine Qualitätsliste in meinem Kopf bei zehn endete, dann hieß das ja nicht, dass es auf der ganzen Welt keine elf geben durfte. Ich habe die Liste gebaut, als der Périgord-Trüffel aus Frankreich das Maß aller Dinge war. Jetzt musste ich feststellen, dass es einen besseren Trüffel gab. Den australischen „Périgord-Trüffel“.
Da ich der Erfinder der Liste war, brauchte ich keine Rechenschaft abzulegen, als ich die Liste nach oben hin ein Stück verlängerte und dem Australier die Note 10,5 gab.
Der Australische Trüffel wird international
Im zwölften Jahr der australischen Trüffel war die Ernte bereits so groß, dass der deutsche und australische Markt dafür zu klein geworden ist. Es wurden Kunden in Japan, den USA, Frankreich und England akquiriert. Zudem gesellten sich immer mehr australische Trüffelfarmen zu den Pionieren, und es kam damit noch Konkurrenz aus dem eigenen Land. Besonders Tasmanien, das südlichste Bundesland Australiens, wurde mit viel Brimborium und ausgiebiger Pressearbeit zum neuen Wunderland der Trüffel erkoren. Die dort ansässige Farm hatte, genau wie unser Lieferant aus Manjimup in Westaustralien, alles so vorbereitet, dass Trüffel auf der Farm wachsen und gedeihen können. Das machen auch alle Trüffelbauern in Frankreich und Spanien, und neuerdings auch in Deutschland so. Diesen Vorgang nennt man Kultivieren. Fast alle Trüffel, die in den Handel kommen, stammen aus solchen Kulturen. Der tasmanische Farmer wählte für seine Arbeit jedoch das Wort Trüffelzucht. Das war faktisch falsch, denn eine Zucht hat was mit säen und ernten zu tun. Da das bei Trüffeln nicht funktioniert, können Trüffel nicht gezüchtet werden.
Die Mitteilung, dass es jetzt einem tasmanischen Farmer gelungen ist, doch Trüffel zu züchten, ging wie ein Lauffeuer durch die Presse, und obwohl der Farmer wusste, dass es nicht stimmte, was er sagte, erzählte er den Fernsehteams dieser Welt weiterhin gerne, dass es ihm gelungen ist, Trüffel zu züchten.
Was ist Zucht, was ist kultiviert
Da die Journalisten den Unterschied zwischen einer Zucht und einer Kultur auch nicht verstanden, bekam der tasmanische Scharlatan eine Menge kostenloser Werbung und bekommt sie immer noch. Allerdings hat er sie auch bitter nötig, denn so, wie es in Europa einen Breitengrad gibt, auf dem die besten Trüffel gefunden werden (es ist der, der von Périgord rüber in die nördliche Provence reicht) so gibt es auch in Australien einen solchen Breitengrad. Dieser verläuft von Westaustralien, etwas südlich von Perth, durch den Süden von South Australia bis nach New South Wales und streift dabei Victoria. Tasmanien hingegen liegt hunderte Kilometer zu weit südlich,um auch nur in die Nähe des „bevorzugten Breitengrades“ zu kommen. So ist es bei den tasmanischen Trüffeln, wie mit den spanischen Trüffeln. Sie gehören zwar derselben Sorte an, haben aber wesentlich weniger Aroma.
Im dreizehnten Jahr gab es bereits 200 Farmer in Australien, die Trüffel auf ihrem Land kultivierten. Viele von ihnen produzierten auch schon Trüffel. So war es möglich, australische Trüffel aus fünf verschiedenen Bundesstaaten zu probieren. Es fand auch schon ein großes Trüffelfestival nach europäischem Vorbild in Australien statt. Es hieß und heißt: „TheTruffleKerfuffle“ und findet in Manjimup statt. Übersetzen kann man Kerfuffle mit Wirbel oder lärmendes Durcheinander. Und genau das war es auch. Der Erfolg war so groß, dass man es zur Institution erklärte.
Ein Volksfest für die Trüffel
Nun schreiben wir das vierzehnte Jahr nach der ersten Bepflanzung mit Trüffelbäumen in Australien. Am 16. Juni begann die Saison mit dem TruffleKerfuffle in Manjimup. Mehr als 2500 Gäste pilgerten zum diesjährigen Festival. Sowohl die Stimmung als auch die Trüffel waren großartig. Es kündigte sich eine Trüffelsaison an, wie es sie auf der südlichen Hemisphäre noch nicht gegeben hat. Grund genug für mich, nach Australien zu reisen und mich selbst vor Ort von Qualitäten und Quantitäten zu überzeugen.
Im Juli, dem Höhepunkt der australischen Trüffelsaison besuchte ich zuerst die Trüffelfarm von Wine and Truffle in Manjimup, zirka 300 Kilometer südlich von Perth. Dort war es, wo vierzehn Jahre zuvor die ersten 13.000 Setzlinge gepflanzt wurden. Was ich dort erlebte, veränderte meine Einstellung zum australischen Trüffel nachhaltig.
Zuerst einmal war es die Qualität, die ich dort angetroffen habe. Sie war, um es in einem Wort zu formulieren, Weltklasse. Tiefschwarz und hocharomatisch. Stück für Stück eine Aromabombe. Ich dachte über die Einwände deutscher Köche nach, die eine weitere Saison mit Trüffeln aus fernen Ländern für überflüssig erachteten.
Das war ein Denkfehler. In den Köpfen der Köche handelte es sich bei den Australischen Trüffeln um das Pendant der nach Kartoffel schmeckenden importierten Erdbeeren im Winter. Das war in zweifacher Hinsicht falsch.
1. Es handelte sich bei den Trüffeln nicht etwa um minderwertige Ware, sondern um hochwertigere. Das ist ein Riesenunterschied.
2. Bei den Erdbeeren (und auch beim Spargel) handelt es sich um heimische Gewächse, deren Saison per se schützenswert ist. Es gibt aber keine heimischen Winteredeltrüffel. Rechtlich gesehen gibt es überhaupt keine handelbaren Trüffel in Deutschland. Trüffel wurden schon immer aus dem Ausland importiert. Und einmal im Flugzeug spielt es keine Rolle, ob die Ware aus Spanien, Italien, Frankreich oder Australien stammt.
Hier muss gehandelt und aufgeklärt werden.
Danach ging es um die Quantität. Alleine auf der Farm von Wine and Truffle wurden dieses Jahr 4.000 Kilogramm Trüffel höchster Qualität geerntet. An dem Tag, an dem wir dort gesucht haben, haben wir in 90 Minuten ganze 2,9 Kilogramm Trüffel gefunden. Die Tagesernte auf dieser Farm belief sich auf über 130 Kilogramm.
Wenn man die bereits existierenden 200 weiteren Farmen in Australien, die allerdings alle wesentlich kleiner als die in Majimup sind, hinzurechnet, kommt man auf eine Jahresproduktion von mehr als sechs Tonnen. Bedenkt man jetzt, dass ganz Frankreich pro Jahr oft nur 12 -20 Tonnen Winteredeltrüffel produziert, kann man sich ausrechnen, wo es hingeht.
Die Zukunft der Australischen Trüffel
Eine Nachbarfarm von Wine and Truffle (56 Hektar) hat bereits weitere 200 Hektar mit über 50.000 Trüffelbäumchen bepflanzt. Da Australien auch nicht so ein wechselhaftes Wetter wie Europa hat, ist die Erntemenge dort immer relativ sicher. So ist es unausweichlich, dass Australien in wenigen Jahren mehr Trüffel als Frankreich produziert. Und noch einige Jahre später werden in Australien mehr Trüffel als in ganz Europa geerntet.
Eins ist jedoch ganz sicher und unumstößlich: Der Markt für diese Trüffel wird die nördliche Hemisphäre sein. Australien ist mit seinen 30 Millionen Einwohnern nur ein ganz kleiner Abnehmer für diese Riesenmengen. In der nördlichen Hemisphäre ist jedoch fast überall von Mitte Juni bis Ende August Urlaubszeit. Genau das ist die Saison der australischen Trüffel.
Da in der Urlaubszeit viele Restaurants geschlossen oder nur wenige Gäste haben, wird, besonders in den Großstädten, gerne auf den Einsatz von teuren, verderblichen Lebensmitteln verzichtet. In den Urlaushochburgen wird aufgrund der ohnehin ausgebuchten Restaurants auch gerne mit preiswerten Lebensmitteln gearbeitet. So, dass sich der Markt auf die ganz wenigen Spitzenrestaurants, die das ganze Jahr über gut gebucht sind, konzentrieren.
Das Angebot wird gewaltig und der Preis wird, im Verhältnis zum französischen Trüffel, gering bis überschaubar sein. Dennoch wird es den Australiern nicht gelingen, alle ihre Trüffel als Frischware zu vermarkten.
Alles ist gut
Man wird nicht umhin kommen, die Trüffel zu konservieren. Und hier wird es große Veränderungen geben. Gefrorene Trüffel waren bisher kein großes Thema, da die europäische Produktion eher gering war und es nicht notwendig war, Trüffel einzufrieren. Das wird sich ändern. Außerhalb der Frischsaison werden gefrorene Trüffel zum Standard werden. Auch der Markt von konservierten Trüffeln in Dosen und in fertigen Produkten wird nach und nach von Australien übernommen werden, was sich zuerst durch die hohe Qualität und zuletzt über die günstigen Preise regulieren wird.
Die Europäer werden bei den Konservenpreisen nachziehen müssen und dabei bemerken, dass der Frischtrüffelverkauf lukrativer ist. Deshalb werden mehr Trüffel auf den Frischemarkt angeboten werden, was sich wiederum in einem günstigeren Preis widerspiegelt. Dadurch, und durch die Tatsache, dass die Trüffelsaison traditionell der Winter ist, wird der Hauptlieferant für frische Winteredelrüffel Frankreich bleiben.
Im Grunde genommen ist alles das, was die Australier zurzeit mit dem Trüffel anstellen gut für zukünftige Ereignisse auf dem Teller. Also gut für jeden Koch, für jeden Gast und für jeden Händler.
Wenn Sie also in Zukunft die Möglichkeit haben sollten, australische Trüffel zu probieren, dann tun Sie das.
Ich habe auf meiner Reise durch Australien festgestellt, dass die Trüffel der Hauptinsel allesamt sehr gut waren, dass die besten Trüffel der Hauptinsel aber tatsächlich aus Manjimup stammten. Ich habe deshalb die Angebote der anderen Produzenten ausgeschlagen und werde mich auch weiterhin vornehmlich um die Manjimup Trüffel kümmern. Die, von der weit im Süden Australiens liegende Insel Tasmanien produzierten Trüffel sind, wie gesagt, die schwächsten Trüffel des Landes. Wenn Sie also australische Trüffel probieren, fragen Sie nach der Herkunft. Wenn es Tasmanien ist, sollten Sie die nicht ganz so ernst nehmen.
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