Antarktika Part Three: Antarktis

Mit dem Expeditionsschiff MS Hanseatic ins ewige Eis.

Prolog: Extrem cool
Gegen eine Expedition zum Südpol ist eine Reise zum Nordpol ein Mallorcaurlaub. Mit 14,2 Millionen Quadratkilometern ist der Kontinent Antarktika nahezu doppelt so groß wie Australien. Fast vollständig ist er von Eis bedeckt. Ein gewaltiger Panzer, der mit einer durchschnittlichen Mächtigkeit von 2.500 Metern die Landmassen, inklusive der über 4.000 Meter hohen subglazialen Gebirge, tief nach unten drückt. Würde das Eis schmelzen, stiege der Kontinent um 500 Meter empor. 89 Prozent der gesamten Eismenge der Erde ist hier gebunden. Bei Temperaturen bis zu minus 89 Grad Celsius wüten Orkane mit Windgeschwindigkeiten von annähernd 320 Kilometern pro Stunde darüber hinweg. Nun, bis in diese lebensfeindlichen Gebilde werden wir nicht vordringen. Aber wir besuchen die Antarktische Halbinsel und einige ihrer vorgelagerten Inselchen. In den letzten Ausgaben berichteten wir über unsere Abreise in Buenos Aires, den Besuch der Falklandinseln und unsere Anlandungen im Naturparadies Süd-georgien. Unser Schiff die Hanseatic ist als Expeditionskreuzfahrtschiff für solche extremen Fahrten ausgestattet. Sie und ihr Schwesterschiff MS Bremen fahren dorthin, wo andere umkehren müssen. Schwimmende Luxushabitate für Aktivtourismus. Exklusiver reist man nur mit den Schiffen Europa und Europa 2, ebenfalls von der Reederei Hapag Lloyd. Sie bilden die Spitze aller weltweit kreuzenden Luxusliner.

Sonntag, 16. und Montag, 17. November 2014
Noch immer schwirrt mir die Begegnung mit B17A am gestrigen Nachmittag im Kopf herum. B17A ist ein Eisberg von atemberaubender Größe, gut 325 Quadratkilometern Fläche und 150 Meter stark. Wenn ich jetzt denke, wir bewegen uns im Bereich einer Superlative, weit gefehlt. Der größte je dokumentierte Eisriese maß über 11.600 Quadratkilometer. Solche Kolosse brechen von den riesigen Eisschelfs rings um die Antarktis ab und können 30 Jahre alt werden, bevor sie bei der Drift in wärmere Gefilde ihre wässerige Süßwasserseele im Meer verlieren. Eisberge sind eine Gefahr für die Schifffahrt, wie jeder weiß. Daher verfolgt die International Ice Patrol ihre Bewegungen. Wir sind sehr früh in der Antarktissaison, so werden wir sicher viele weitere solcher Tafeleisberge mit ihrem mystischen Blau bewundern können.

Monsterwellen im Südpolarmeer
Das Schiff nimmt Kurs auf Elephant Island, ein unfreundliches Inselchen des Südshetland Archipels am Kopf der antarktischen Halbinsel. Dort wartete einst die Crew des Polarforschers Sir Ernest Shakleton einen langen antarktischen Winter auf ihre Rettung. Die Hanseatic rollt bei sechs Meter hohen Wellen durch das Südpolarmeer Richtung Südwest. Bald werden wir den Südpolarkreis überqueren und die Südlichen Orkneyinseln passieren. Um diese Jahreszeit noch dick von Packeis umgeben – im Gegensatz zu den aus Süßwasser bestehenden Eisbergen handelt es sich hierbei um gefrorenes Meerwasser.
Die morgendliche Durchsage des Kapitäns versprach die Durchfahrt eines Gebietes mit Superwellen. Und dahinein fahren wir nun. Die Dünung nimmt zu. Bis auf 16 Meter Höhe türmen sich die Wassermassen. Keine Gefahr für ein so robustes Expeditionsschiff. Aber eine Leidensstrecke für alle, die nicht seefest sind. Die Crew muss arbeiten – egal wie schlecht es einem geht. Die meisten Passagiere verkriechen sich betäubt von Medikamenten in ihren Kabinen. Unsere philippinische Stewardess Delia, die sonst immer zart lächelnd bemüht ist, mein Chaos in der Kabine wieder zu ordnen, ist heute kreidebleich und stumm. Zwar hat sie ein Spalier von Spucktüten hinter den Handlauf des Korridors geklemmt, doch man kann sich lebhaft vorstellen, was sie heute alles zusätzlich entfernen muss. Da braucht man einen starken Magen. Bei diesem Wetter gehören die Restaurants und Bars einigen wenigen. Auch im Außenbereich lässt sich kaum jemand blicken. Wer wie ich mit solchem Wetter keine Probleme hat, kann die eisige klare Luft genießen. Salzige eiskalte Gischt schneidet ins Gesicht. Minus ein Grad Celsius ist das Meer kalt, minus zwei Grad Celsius die Luft. Unter uns 3.500 Meter wütendes Wasser. Zwischen tanzenden Schneeflocken schweben die Sturmvögel und weit entfernt sieht man den Blas vorbeiziehender Wale.
Nach einem guten Abendessen im Marco Polo Restaurant verbringen wir den Rest des Abends in der Kabine und schauen uns im TV “Meuterei auf der Bounty“ an. Der Film bricht aber ab, bevor die Meuterei beginnt. Hat hier unser Kapitän zensiert? Oder sind solche Themen in der christlichen Seefahrt generell tabu?

Fischerei in eisigen Gewässern
In der Ferne stampfen zwei große Fischereifahrzeuge durch die schwere See. Die Brecher überspülen Deck und Brücke. 1966 kreuzte das deutsche Forschungsschiff Walther Herwig in diesen Gewässern und kam zu dem Schluss, dass “der Reichtum fast unerschöpflich sei“. Hier im Südatlantik sah man die Zukunft der Fischerei, auch für die deutsche, deren angestammte Fanggründe im Nordatlantik damals schon kräftig überfischt waren. Nicht nur die Fische selbst waren es, denen man nachstellen wollte. Besonderes Augenmerk wurde auch auf den Krill gerichtet. Der hätte das Potential, den Welthunger zu besiegen. Richtig ist, das die kleinen Garnelenartigen mit einer geschätzten Biomasse von 500 Millionen Tonnen eine der häufigsten Tierarten der Welt sind. Auch weil man ihre Hauptfeinde die Wale größtenteils ausgerottet hat. An deren Stelle sind die Krabbenfresser Robben getreten, die sich durch das Überangebot an Nahrung kräftig vermehrten. Heute weiß man, dass die Einschätzung der deutschen Meeresbiologen von damals sehr kurzsichtig war. Nicht nur, was den Krill betrifft. Der Krill, selbst ernährt er sich von Plankton, bildet die Grundlage des gesamten marinen Lebens in den Fanggebieten rund um die Antarktis. Seine Gefährdung setzt die Population aller anderen Tiere aufs Spiel. Ja, es gab einen Boom in der Krillfischerei, der Nahrung sollte er dienen. Eine echte Goldrauschstimmung herrschte in den 1970er Jahren. Heute werden noch etwa 100.000 Tonnen jährlich gefischt. In wenigen Ländern wie Japan und Polen wird das maximal sechs Zentimeter lange Krebschen noch als Lebensmittel gehandelt. In anderen Ländern hat man Krill aufgrund des ungenießbaren Fluors in seinem Chitinpanzer von den Speiseplänen genommen. Der Großteil der Fänge wird heutzutage zu Tierfutter verarbeitet.
Der Lebensraum Antarktis ist hochsensibel, der beschriebene Überfluss an Leben währt nur während des Sommers, wenn die Meere lichtdurchflutet riesige Mengen an Plankton produzieren. Die Fischwelt ist nicht sehr artenreich, nur etwa 150 Arten leben im Südpolarmeer. Dafür kommen einige Arten in großen Mengen vor. Im Südatlantik fischen Chilenen und Argentinier, und die Briten verkaufen fleißig Fanglizenzen rund um ihre Falkland- und Südgeorgien-Inseln. Zu diesen Fischereiflotten scharen sich Piratenfischer, die in den großen Weiten unbehelligt der illegalen Langleinen- oder Trawlerfischerei nachgehen können. Durch diese Plünderung der Gewässer wurden teilweise katastrophale Zustände erreicht. Einige Bestände werden sich vermutlich nie wieder erholen. Das große Problem ist, dass die Fische in den eisigen Gewässern wie in Zeitlupe leben, extrem langsam wachsen und spät reproduzieren, teilweise erst nach zehn Jahren geschlechtsreif werden.
Die heutigen Antarktisfische sind Abkömmlinge einer einzigen barschartigen Stammart, die durch Anpassung an die hier herrschenden Lebensbedingungen die unterschiedlichsten Lebensräume eroberten. Dieser Prozess startete mit einer globalen Abkühlung und der Vergletscherung des antarktischen Kontinents vor rund 35 Millionen Jahren. Damit einher ging die Entwicklung eines Antifrost-Proteins, das den Tieren ein Leben bei Temperaturen unter dem Gefrierpunkt ermöglicht. Einige von ihnen weisen sogar etwas auf, was es eigentlich biologisch nicht geben dürfte. Ihnen fehlen weitestgehend die roten Blutkörperchen, die für den Sauerstofftransport im Körper zuständig sind. Der Vorteil: Das Blut wird dünnflüssiger und kann leichter gepumpt werden. Ende der 1960er Jahre begann die kommerzielle Fischerei von Eisfischen. Vor allem Trawler aus den Ostblockstaaten räuberten in den Gewässern. Wer in der ehemaligen DDR aufgewachsen ist, kennt die Fische aus den damaligen Auslagen. Über 100.000 Tonnen Fisch allein von diesen Trawlern ließen die Bestände rasch schrumpfen.
Die wohl meist befischte Spezies dieser hämoglobinarmen Fische ist der Mackerel Icefish (Champsocephalus gunnari) aus der Familie der Krokodileisfische (Channichthydiae). Nach der Ausbeutung der Spezies versucht die CCAMLR, die französische Abkürzung für die Kommission zur Erhaltung der lebenden Meeresschätze der Antarktis, entstanden infolge des Antarktisvertrages, die Quoten zu reglementieren. Zwar gehören der Kommission 25 Vollmitgliedsstaaten an, doch zeigt sie sich gegenüber den wirtschaftlichen Interessen der großen Fischereinationen immer wieder machtlos. Die derzeitige Fangmenge beträgt offiziell 2.659 Tonnen pro Jahr. Die Fangmengen der Piratenfischer sind unbekannt bzw. können nur geschätzt werden.
Der South Georgia Icefish (Pseudochaenichtys georgianus) zählt ebenfalls zur Familie der hämoglobinarmen Krokodileisfische. Die bis zu 60 Zentimeter lange Spezies lebt in den kalten, sauerstoffreichen Gewässern des südlichen Ozeans – an den Inseln der Scotiasee und dem nördlichen Teil der antarktischen Halbinsel – in Tiefen von bis zu 475 Metern. Wurde er in den frühen 1970er Jahren zunächst als Beifang auf der Jagd nach dem Mackerel Icefish und später auch gezielt gefischt, untersagt die CCAMLR gegenwärtig eine direkte Fischerei des Tieres.
Der Crocodile Fish (Parachaenichthys georgianus) zählt zur Familie der Antarktisdrachenfische (Bathydraconidae). Beheimatet ist der bis zu 59 Zentimeter lange, spitzschnäuzige Raubfisch ausschließlich im Südpolarmeer in einer Tiefe von fünf bis 270 Metern. Überwiegend ist er dort im Insularschelf von Südgeorgien und den Sandwichinseln zu finden. Wie alle Antarktisdrachenfische zeichnet sich der Crocodile Fish durch einen abgeplatteten Kopf und das Fehlen der ersten Rückenflosse aus. Er wird nicht kommerziell gefischt.
Der Humphead notothen (Gobionotothen gibberifrons) ist ein Vertreter der sogenannten Antarktisdorsche (Nototheniidae). Er ist in den kalten Gewässern des Südlichen Ozeans – im Scotiabogen und der Heard Insel – sowie nahe einiger Inseln des Südatlantiks zu finden. Bis in die späten 1980er Jahre wurde er bei der Jagd mit Grundschleppnetzen auf den beliebten Patagonian Toothfish als unerwünschter Beifang an Land gezogen. Das reduzierte die Bestände drastisch.
Zu den Antarktisdorschen zählt ebenfalls der Marbled Rock Cod (Notothenia rossii). Er ist am nördlichen Ende der Antarktischen Halbinsel, dem Scotiabogen, vor den Prinz-Edward-Inseln sowie nahe einiger Inseln des südlichen Indischen Ozeans verbreitet. Sind die Jungfische in küstennahen, seichten Gewässern zu finden, kommen die ausgewachsenen Tiere in Tiefen von bis zu 550 Metern vor. In der Vergangenheit war er Objekt einer erheblichen Ausbeutung durch sowjetische und andere Flotten des Ostblocks – allein zwischen 1969 und 1971 wurden 500.000 Tonnen dieses Fisches an Bord gehievt. Mitte der 1970er Jahre war sein Bestand auf nur 2,5 Prozent seiner ursprünglichen Größe geschrumpft.
Die bekannteste Spezies der polaren Speisefische ist der Patagonian Toothfish (Dissostichus eleginoides), ebenfalls ein Antarktisdorsch. In Deutschland wird er als schwarzer Seehecht gehandelt. Der Fisch ist weder ein Seehecht noch ein Dorsch – ähnelt diesem aber in seiner Gestalt. Die zur Ordnung der Barschartigen gehörende Spezies findet man in großen Tiefen bis zu 3.500 Metern. Sein Fleisch ist weiß, fettreich, grätenarm, sehr beliebt und somit teuer. Das macht ihn wie auch seinen Verwandten, den Riesenantarktisdorsch, zum Objekt der Fischereibegierde. Oft wird er illegal mit Langleinen von 130 Kilometern Länge, bestückt mit 30.000 Haken, kurz über dem Meeresgrund befischt. Infolge dieses Raubbaus steht der Fisch vor seiner wirtschaftlichen Ausrottung.
Der Blue antimora (Antimora rostrata) wird der Familie der Tiefseedorsche (Moridae) zugeordnet. Der an seiner violetten Färbung erkennbare und bis zu 75 Zentimeter lange Fisch kommt in allen Weltmeeren rund um die Antarktis an den Kontinentalabhängen und in der Tiefsee vor. Seine Hauptnahrungsquelle sind Krustentiere und kleine Tinten- fische. Zwar nicht kommerziell, aber als Beifang gefischt, gilt er heute als vom Aussterben bedroht. Forciert wird dieser Umstand durch sein enorm langsames Wachstum und die sehr späte Geschlechtsreife – oft erst nach über zehn Jahren.
Der Ridge Scaled Rattail oder Bigeye grenadier (Macrourus carinatus) zählt zur Familie der Grenadierfische (Macrouridae) – aufgrund ihrer charakteristischen Optik auch als “Rattenschwänze“ bezeichnet. Beheimatet ist der bis zu einen Meter lange Fisch im Südatlantik sowie im Indischen und Pazifischen Ozean, wo man ihn in Tiefen zwischen 200 und 1200 Metern findet. An der Patagonienküste von Argentinien und Chile wird der Macrourus carinatus gezielt und als Beifang gefischt. Als argentinischer Import wird diese Spezies in den Vereinigten Staaten auch unter dem Namen “Grenadero“ verkauft.

Dienstag, 18. November 2014 – Point Wild
Gegen acht Uhr erreichen wir Point Wild, eine raue Bucht auf Elephant Island. Die Insel erhielt ihren Namen aufgrund der hohen Population an Seeelefanten, die der britische Robbenfänger George Powell 1821 hier vorfand. Das Inselchen ist etwa 47 Kilometer lang und 27 Kilometer breit. Das widrige Klima lässt kaum Vegetation zu. So konzentriert sich das Leben auf die Küsten, die von zahlreichen Robben und Eselspinguinen bevölkert sind. Trotz kräftiger Dünung, die krachend an den schroffen Felsen zerschellt, lässt unser Kapitän eine Ausbootung zu. In vier Gruppen treten die Passagiere nacheinander unter Deck an. Wetterfester Parka, Schwimmweste und Gummistiefel gehören zur Pflichtausrüstung. Auschecken mit dem Bordausweis und über die Gangway hinunter zum Hochleistungsschlauchboot. Die Crew hilft mit geübtem Artistengriff beim Einstieg in die Zodiacs. Wer nicht fit genug ist, darf nicht mit. Trotzdem, einige füllige Herrschaften haben Probleme. Schlecht, wenn man auf der Gummiwandung gegenüber des Einstiegs sitzt, und eben diese Leute schwankend auf einen zustürzen. Dann heißt es Deckung nehmen, um nicht über Bord geschubst zu werden. Unser Zodiacfahrer ist heute Claus Stanko. Und das ist gut so. Er ist der Chef des Zodiacteams und der coolste und sicherste Pilot. Durch tosende See und meterhohen Wellenschwall geht es vorbei an Felsen und Eisbergen.
Als wir uns dem Point Wild nähern, erscheint die Geschichte, dass hier eine Expeditionscrew über Monate überlebte, noch unwirklicher. Denn Point Wild, benannt nach Frank Wild, dem Kopf der Gruppe, ist eine winzige karstige Landzunge umspült von schweren Brechern. Ein paar Pinguine hopsen auf ihr herum. Grotesk die dort aufgestellte Büste des chilenischen Kapitäns Villalon. Geführt von Shackleton rettete sein Marineschiff die Gestrandeten. Ausgerechnet von ihm die Büste, nicht von Wild, der keinen seiner Leute verlor, oder Shackleton, der in einem Rettungsboot quer über das Südpolarmeer fuhr, um Hilfe zu holen. Aber es zeigt, wie deutlich Chile Anspruch auf diesen neutralen Kontinent erhebt.
Am Nachmittag kreuzen wir vor Cape Lookout, einem 240 Meter hohen, steil aufragenden Kap am Südende der Insel. Hier versammelt sich alljährlich die phantastische Zahl von 12.000 Zügelpinguinpaaren zum Brüten. In den Klippen nisten Sturmvögel und Dominikanermöven und Albatrosse ziehen dort ihre Bahnen. Die Lektorin und leidenschaftliche Tierschützerin Sylvia Stevens kommentiert kurzweilig das Geschehen.
Abends essen wir nicht das wie immer opulente Menü, sondern wählen von der “Roten Karte“ die mit einfachen und unkomplizierten Gerichten aufwartet. Wir wählen die Vorspeisen “American Shrimps Salad“ mit Cocktailgarnelen, Salatstreifen, Meerrettich-Tomaten-Dressing, Ananas und “Thai Salad“, einen asiatischen Rohkostsalat mit scharfem Rindfleisch in Sesamölmarinade sowie die Hauptgerichte Thunfisch “Teryaki“ vom Grill, asiatisches Glasnudelgemüse und gebratene Perlhuhnbrust, Portwein-Rahmsauce, grüne Bohnen, Couscous. Küchenchef Michael Kappeler zeigt auch hier großes Geschick.

Mittwoch, 19. November 2014 – Vulkan und Pinguine
Heute geht es früh los. Ab fünf Uhr dreißig wird Kaffee und Gebäck serviert, denn bereits um sechs Uhr ankert die Hanseatic vor Penguin Island. Nicht schwer zu erraten, woher die Insel ihren Namen hat. Das Scout Boot wird zu Wasser gelassen, der Pilot erkundet eine Landestelle und richtet die Landstation ein. Um halb sieben beginnt die Ausbootung der ersten Gruppe. Die 1,6 Kilometer lange Insel gehört ebenfalls zu den südlichen Shetlandinseln, die aus elf größeren und ein paar Winzlingen besteht. Getrennt durch die Bransfieldstraße erstrecken sie sich etwa 500 Kilometer entlang des antarktischen Kontinents, der auch ihr geologischer Ursprung ist. Eingesprenkelt einige teils noch aktive Vulkane. Die höchste Erhebung ist Mount Irving mit 2.300 Metern. Die Landschaft ist atemberaubend, zum größten Teil vergletschert. Leuchtend blaue Eisberge treiben vor der Küste in stahlblauer See. Einige überzuckert mit frischem Schnee. Beinahe im Minutentakt wechselt das Wetter. Wir besteigen den Vulkan Deacon Peak auf der Pinguininsel. Nicht hoch, aber doch durch den jetzt noch tiefen Schnee durchaus beschwerlich zu erklimmen. Vor wenigen Minuten hatten wir freie Sicht auf Gletscher und Berge über denen dramatische Wolkenformationen schwebten. Quasi aus dem Nichts bricht ein Schneetreiben herein, so dicht, dass man seinen Vordermann nicht mehr sehen kann. Und genauso schnell ist es auch wieder vorüber.
Zurück an Bord erwartet uns das Precap für die nächsten Ziele. In diesen Briefings bereiten die mitreisenden Lektoren, Wissenschaftler unterschiedlicher Disziplinen, die Kreuzfahrer auf die nächsten Stationen vor. Ein amüsantes Infotainment über Fauna, Geologie oder historische Begebenheiten. Nachgearbeitet werden alle Landgänge in Recaps, musikalisch eingeleitet und begleitet von einem Drink bilden sie die allabendlichen gesellschaftlichen Höhepunkte der Reise. Neben dem Dinner versteht sich.
Das nächste Ziel ist das sichelförmige Inselchen Half Moon Island, der Rest eines Vulkankraterrandes mit pittoresken Gesteinsformationen. Auf denen leben jede Menge Zügelpinguine, Küstenseeschwalben und Möwen. Seit 1955 betreibt hier Argentinien eine seiner zahlreichen Antarktisstationen. Aus Geldmangel sind viele nicht besetzt. Aber hier geht es weniger um Forschung, als um Präsenz auf dem begehrten Kontinent, auf dem wertvolle Bodenschätze vermutet werden. Selbst vor skurrilen Aktionen schreckt Argentinien nicht zurück. So brachte man denn eine schwangere Frau hierher, um das erste Baby der Antarktis vorzuweisen. Seht her, es ist ein Argentinisches – seht ihr alle, wie wohl wir uns hier fühlen? Nun, Gebietsansprüche erheben viele, nicht nur Argentinien und Chile, auch Großbritannien reiht sich unter die Anwärter. Doch alle diese Begehrlichkeiten ruhen auf Eis.

Friedliche Eiswelt
Zugriff auf die Ressourcen hier hat im Moment niemand. Denn 1959 legten zwölf Staaten gemeinsam fest, dass die Antarktis zwischen dem 60. und 90. Grad südlicher Breite ausschließlich zur friedlichen Forschung genutzt werden darf. Dieser Friedensvertrag trat 1961 in Kraft. Im Kern besagt er, dass militärische Aktionen, auch Übungen, hier untersagt sind. Ebenso der Abbau von Bodenschätzen. Das ökologische Gleichgewicht zu erhalten, ist ebenso Ziel wie die Förderung einer internationalen Kooperation unter den Forschungstreibenden. Auch wir Abenteurer verpflichten uns, den Kontinent so unberührt wie möglich zu belassen. Wir lassen nichts dort und nehmen nichts mit. Keinen Stein, keinen Knochen, keine Muschel. Ja, wir desinfizieren vor jedem Landgang unsere Stiefel und unser Schiff kreuzt mit Diesel statt mit Schweröl durch diese Gewässer.
Abends essen wir im Bistro Le Maire, das von einem auf den anderen Tag zum Ethno-Restaurant mutiert und themenbezogene Dinner anbietet. Auf anderen Reisen richtet man sich dabei nach dem aktuellen Standort – brasilianische Küche auf dem Amazonas, kreolische Gerichte vor Mauritius. Das ist hier in der Antarktis natürlich etwas schwieriger. So nehmen wir denn wohlwollend das heutige Thema Arabien nebst entsprechender Raumdekoration an.

Donnerstag, 20. November 2014 – Es riecht nach Schwefel.
Um sechs Uhr in der Frühe erreichen wir Deception Island. Die Täuschungsinsel. Umfährt man sie, glaubt man ein ordentliches Inselchen vor sich zu haben. Aber – getäuscht – denn man umrundet den Kraterrand eines Vulkans, dessen Caldera, ein zusammengebrochener Vulkankegel, mit Meerwasser gefüllt ist. Das Santorini der Antarktis. Immer noch hochaktiv und gefährlich. Der letzte Ausbruch fand 1970 statt. Eine geplante Anlandung an der Außenseite des Vulkans wird abgesagt. Zu stürmisch der Wind, zu wild der Seegang. Kapitän Natke entschließt sich, durch die enge Passage in den Krater hineinzufahren. Neptuns Blasebalg nennen sie die Seeleute, denn starke Winde pressen sich durch die schmale Pforte, zudem lauert ein Fels in der Einfahrt auf unkundige Seeleute. Dem nicht genug, die seismische Ampel muss auf grün stehen, will ein Schiff hinein. Eine Batterie sensibler Messgeräte löst Alarm aus, wenn ein Ausbruch droht. Sollte dies geschehen, muss die Hanseatic sofort hinaus auf die offene See. Sind Gäste an Land haben die das Nachsehen, müssen sich über den Kraterrand zur Küste durchschlagen und auf das Geschick der Zodiacpiloten hoffen. Von 1910–1931 beherbergte die Caldera mit immerhin 14 Kilometern Durchmesser die südlichste Trankocherei der Welt. Der vulkanwarme Krater war wie viele Buchten eine Herberge für Walfänger und Robbenschläger. Ein alter Friedhof, Holzruinen und Frischwasserboote zur Versorgung der Dampfmaschinen sind ihre pittoresken stummen Zeugen, die an diesem trüben Tag gespenstisch aus dem Schnee ragen. Schlammlawinen eines Ausbruchs begruben vieles der menschlichen Ansiedlung. Zwischen ihren Resten, für uns schon ein vertrautes, aber immer wieder faszinierendes Bild: Pinguine, Robben und allerlei Seevögel. Der Ort, an dem wir uns befinden, heißt Whalers Bay. In den Anfangsjahren der Walfängerei verarbeitete man nur den Blubber der gewaltigen Tiere. Kochte Öl daraus. Öl für Lampen. Das Leben eines stolzen Tieres für ein funzeliges Licht. Die Kadaver warf man in die Caldera, wo Tausende von riesigen Leichen vor sich hin faulten. Später machte die britische Regierung, die hier schon früh eine Forschungsstation betrieb, zur Auflage, dass die ganzen Wale verarbeitet werden mussten. Und siehe da – in den Knochen saß mehr Öl als man je vermutet hätte.
Die Walfänger sind längst verschwunden. Die Forscher sind geblieben. Heute erforscht man hier die Wiederansiedlung von pflanzlichem Leben auf Vulkanasche. Der tiefschwarze Strand ist schneefrei, heiße Fumarolen zeugen von der geothermischen Gewalt dicht unter der Oberfläche. Bis auf 95 Grad erhitzt sie an manchen Stellen das Meerwasser. Für die Eselspinguine, die zwischen den schwefelriechenden Dampfschwaden daher watscheln und ein Bad im lauen Wasser nehmen, muss das hier so sein wie ein Südseeurlaub. Auch wir Landgänger genießen es, mit bloßen Füßen über den Strand zu spazieren. Der ein oder andere wagt gar ein Bad zu nehmen und wird dafür mit einer Urkunde “Deception Island Swimming Club“ geehrt. Auf früheren Expeditionen schaufelte die Crew Gruben in den Sand, die liefen dann voll Wasser und man konnte herrlich darin baden. Doch das ist vom Umweltbundesamt, das streng über die deutsche Präsenz auf dem eisigen Kontinent wacht, inzwischen untersagt.
Am Nachmittag wird ein weiterer Landgang in der Kraterlandschaft angeboten. In der Telefon Bay steht die Besteigung eines kleinen Vulkans an. Seine tiefschwarze Asche verwischt mit dem reinen Weiß des Schnees zu abstrakten Landschaftsgemälden. Zuvor aber stärken sich die Gäste mit deftigen Eintöpfen, die an Bord serviert werden.
Um 17 Uhr verlassen wir den Krater. Für die nautischen Offiziere steht dabei eine Aufgabe an. Sie müssen den kleinen Vulkan “Stanley Patch“ 24 Meter unter der Wasseroberfläche möglichst punktgenau überqueren und ihn dabei mit dem Echografen vermessen. Für einen “Treffer“ setzt Kapitän Natke einen Preis aus. Eine Tüte Gummibärchen, für deren Aushändigung die 97-prozentige Trefferquote von heute reicht. Wir werden in der Nacht 137 Seemeilen zurücklegen. Die Fahrt geht nun in Richtung antarktisches Festland. Immer dichter wird das Packeis. Auf den Schollen dösen Robben. Weddellrobben und Krabbenfresser. Auf 30 Millionen Tiere wird ihr Bestand geschätzt. Damit gehört jede zweite Robbe auf der Welt zu dieser Spezies. Fast alle Tiere haben tiefe Wunden. Zumeist zugefügt von ihrem Erzfeind, dem Seeleoparden, der in etwa die biologische Nische des Nordpolarbären besetzt.

Freitag, 21. November 2014 – Wir betreten den Kontinent.
Ja, heute werden wir zum ersten Mal den Fuß auf den antarktischen Kontinent setzen. Um acht Uhr ist es endlich soweit, wir liegen in der Paradise Bay. Ein Muss für alle Antarktis-Expeditions-Kreuzfahrten. Da wir sehr früh im Jahr unterwegs sind, liegt noch viel Schnee. Der schmilzt zwar hier auch später nicht, seine Feuchtigkeit wird aber durch die extrem trockene Luft aufgesogen. Die Scouts von unserem Pionierboot schaufeln eine Schneetreppe im Uferbereich, nahe der argentinischen Station Almirante Brown, um ein Betreten des Festlands überhaupt möglich zu machen. Wir stapfen in Richtung Station. Aus Geldmangel ist auch diese nicht besetzt. Sieht man von den zahlreichen Pinguinen ab, die sich hier niedergelassen haben. Es ist Paarungszeit, überall wird mit tiefen Verbeugungen gebalzt und zur Belohnung für die Mühen folgt der Sex. Wir erklimmen einen kleinen Berg. Mühsam sind die Schritte im hohen Schnee. Die Stiefel graben sich tief ein und hinterlassen tiefe, leuchtend blaue Spuren. Die Crew wird nach unserem Landgang alle zuschaufeln, damit keine Pinguine hineinfallen und die tollpatschigen Gesellen nicht steckenbleiben. Nach dem Landgang folgt eine Zodiactour durch die atemberaubende Eiswelt. Bizarre Gletscher schieben sich mystisch aquamarin leuchtend ins eisige Meer. Nachtblaue Grotten lassen erahnen, wie zerklüftet die Eispanzer im Inneren sind. Darüber thronen eisige Hochbauten deren skurrile Architektur im nebeligen Nichts endet. In den schroffen Felsen leben Blauaugen Kormorane, eifrig damit beschäftigt, ihre Nester zu errichten. Um uns herum tummeln sich Pinguine im Wasser. So unbeholfen sie an Land sind, so genial sind ihre Körper für dieses Element geschaffen. Deutlich sieht man, dass sie fliegen. Wie einst in der Luft, nun in ihrem neuen Element. Mittags erwartet uns an Bord das bei allen Passagieren so beliebte BBQ im Bistro Le Maire. Musikalisch begleitet von der Festivalband, einer kleinen russischen Combo, die neben dem Pianisten Uwe Künstler für die Untermalung gesellschaftlicher Anlässe an Bord sorgt. Währenddessen gleitet unser Expeditionsschiff durch ein Meer voller kleiner Eisberge dem 31 Seemeilen entfernten Goudier Island entgegen. Ein winziges Inselchen im Naturhafen Port Lockroy, Teil des britischen Antarktisterritoriums – wenn man das so sagen darf. Dort befindet sich eine britische Station, die während des Zweiten Weltkriegs aktiv genutzt wurde. Heute ist das Eiland über und über von Eselspinguinen kontaminiert. Vorsicht, nicht drauftreten. Und auch nicht auf die Eier, welche die Vögel viel zu früh im Jahr gelegt haben und nun ratlos durch den Schnee rollen. Neben den komischen kleinen Frackträgern hausen hier während der Touristensaison ein paar junge Leute. Ich frage mich, wie man es über längere Zeit zwischen den stinkenden Exkrementen der Vögel aushält. Unglaublich, dass die Weißgesicht-Scheidenschnäbel den Kot verzehren. Aber gut, die Besatzung der Station gibt sich lustig und die jungen Damen führen kess durch die Räume. Der Antarctic Heritage Trust hat sie angeworben. Er sichert den Erhalt und Fortbestand historisch britischer Forschungszentren. Die jungen Leute arbeiten ehrenamtlich. Vor uns war ein von Chinesen gechartertes Expeditionsschiff hier, sicher haben die den gut ausgestatteten Souvenirshop leergekauft. So landet dann Made-in-China-Ware wieder im Ursprungsland. Meine Befürchtungen bewahrheiten sich aber nicht. Im Shop offeriert mir eine junge Französin in gutem Deutsch ein Antarktis Kochbuch. Unter anderem mit Pinguin Rezepten. Dieser charmanten Dame kann ich nichts abschlagen und kaufe es. Sicher sind viele der Rezepte der Phantasie entsprungen, aber natürlich haben die Besatzungen von Forschungsstationen und Walschlächtereien von diesen natürlichen Ressourcen gelebt und Pinguine, Robben und Wale verzehrt. Ich kaufe das Buch, zugegeben, auch ein bisschen aus Neugier. Der eigentlich schmale Pinguin ist umgeben von dickem Blubber. Ein wenig wie das Murmeltier. Und schmelzt man diesen Blubber ab, wie bei der Herstellung eines Murmeltierpfeffers?

Aus: Antarctic Cookbook, Fit for a “FID“ von Gerald T. Cutland
“(…) Mir wurde klar, dass das Fleisch wirklich köstlich ist, als ich gesehen habe, dass Leute sabberten wie ein Trompeter, der versucht sein Instrument zu spielen, während jemand in seiner Nähe an einer Zitrone saugt. (…) Zu allererst werden die meisten von Ihnen merken, dass das Pinguinfleisch sehr, sehr stark in Geruch und Geschmack ist. (…) Als erstes, nachdem das Tier tot ist, entfernt man die Brust und wäscht sie sehr gut aus. Dann hängt man sie einige Tage an einen Ort, wo sehr viel Luft daran kommen kann. Dann wäscht man das Fleisch erneut, und wird feststellen, dass der Geruch größtenteils verschwunden ist. Wenn es immer noch zu stark riecht, legen Sie das Fleisch in kaltes Wasser mit Essig und bringen es schnell zum Kochen. Das Fleisch sofort herausnehmen, abkühlen lassen und wieder gut abwaschen. Das Fleisch ist küchenfertig, wenn Sie Lust verspüren, es zuzubereiten. Aber wenn es Ihnen immer noch zu stark riecht, ist mein Tipp, es zu werfen. Und zwar aus dem nächsten Fenster.

Schmortopf mit Pinguinbrust
Pinguinbrust nach Bedarf • je 1 Dose Erbsen und Möhrchen • 1/2 Tasse Rüben • 1/2 Tasse geschnittene Zwiebeln • 1 EL Mehl • 1 EL Tomatensauce • Wasser oder Fond • Salz • Pfeffer
Das Fleisch in gewünschte Stücke schneiden und mit Salz und Pfeffer würzen. Kurz in Mehl wälzen, überschüssiges Mehl abschütteln und die Fleischstücke in Butter von allen Seiten anbraten. Wenn das Fleisch gebräunt ist, herausnehmen und in einer Kasserolle mit dem Gemüse einschichten. Das Mehl mit Wasser oder Fond zu einer Soße verkochen. Die Tomatensauce dazugeben, gemischte Kräuter zufügen und mit Pfeffer und Salz abschmecken. Diese Soße über das Fleisch und das Gemüse gießen. Mit einem Deckel verschließen, abkühlen und dann bei mittlerer Temperatur im Ofen garen bis das Fleisch zart ist, ca. 2 Stunden. Mit ganzen gegarten Kartoffeln und gebutterten Karotten servieren.

Pinguinbrustroulade
Pinguinbrust nach Bedarf • 2 EL Essig • Petersilie oder gemischte Kräuter • 1 Tasse geschnittene Zwiebeln • Schinkenspeckscheiben • Wasser • Rinderfett • 1 EL Mehl • Pfeffer • Salz
Das Fleisch in Rechtecke schneiden. Mit Pfeffer und Salz würzen. Jeweils eine Scheibe Schinkenspeck auflegen und Petersilie darüber streuen, fest einrollen und zubinden. Das Fett in einer Pfanne auslassen und die Rouladen darin anbraten. In eine feuerfeste Form einlegen. Die Zwiebeln anbraten und über die Rouladen geben. Nach Wunsch noch Tomaten zugeben. Wasser zu dem verbliebenen Fett in der Pfanne gießen, Essig zugeben und zum Kochen bringen. Über die Rouladen gießen. Dann bei mittlerer Temperatur im Ofen garen bis das Fleisch zart und gar ist, ca. 2 Stunden. Die Rouladen herausnehmen, den Faden entfernen und auf Tellern anrichten. Die Sauce darüber und daneben gießen und mit Kartoffelpüree und gebackenen Tomaten servieren. Die Sauce nach Wunsch abschmecken.

Das Rennen im Lemaire-Kanal
Es wird seit Tagen abends nicht mehr richtig dunkel. Im fahlen Dämmerlicht gleitet das Schiff in Richtung Neko Harbour an der antarktischen Halbinsel. Nebel hängt über den kleinen Kanälen dieser Inselwelt, die in drei melancholische Farben getaucht ist. Schwarz, Weiß, Blau inklusive aller Zwischentöne. Kein Grün, kein Rot, kein Gelb. Die Abbruchkanten schneebedeckter Gletscher ragen hoch über uns aus den Felsenriffen. Sie drohen jederzeit ihre Eismassen in die Tiefe zu stürzen. Wir nähern uns dem Lemaire Kanal. Alljährlich gibt es einen sportlichen Wettstreit unter den Expeditionsschiffen. Wer durchfährt ihn als Erster? Unsere Chancen scheinen gut. Bis vor kurzem war er noch zugefroren. Jetzt könnte er passierbar sein. Und wir sind früh im Jahr. Wenige andere Schiffe kreuzen jetzt schon in diesen Gefilden. Dem Anlass entsprechend gibt der Kapitän das Vorderschiff frei. Und die Crew improvisiert eine Party. Es gibt Glühwein und Lumumba. Der Kanal kommt in Sicht. Doch mit ihm weit vor uns ein anderes Schiff. Die Sea Adventure hat gehörigen Vorsprung. Das lässt Natke nicht auf sich sitzen und legt ein paar Knoten zu. Eisschollen krachen gegen den Rumpf. Es bebt ein wenig. Aber kein Problem für ein Schiff wie dieses. Höchste Eisklasse. Stabiler sind nur Eisbrecher. Wir sind schneller als unser Kontrahent und der macht zudem einen gewaltigen Fehler. Driftet im Fahrwasser zu nah an die steile Küste. Dort verlangsamt dickes Eis seine Fahrt. Zügig zieht die Hanseatic gleich auf und schnell vorbei. Gewonnen. Es hieß, der Kapitän unseres Nachbarschiffs habe Natke angerufen, um seinem Ärger Luft zu machen. Den genauen Wortlaut kennen wir nicht.

Die Eisklasse der Hanseatic – Was ist eine Eisklasse?
Die Hanseatic ist mit einer sogenannten Eisklasse ausgerüstet. Darunter versteht man eine Anzahl von schiffbaulichen und maschinenbaulichen Maßnahmen, die es dem Schiff ermöglichen, Eisgebiete zu befahren. Je nach Fahrgebiet und Schiffstyp gibt es verschiedene Eisklassen. Die Hanseatic hat die höchste Eisklasse für Passagierschiffe, die Klasse E4, die von der Klassifikationsgesellschaft Germanischer Lloyd (GL) verliehen wurde.
Was sind die Kennzeichen einer Eisklasse?
Der Rumpf des Schiffes ist auf seiner ganzen Länge eisverstärkt, und zwar unterschiedlich stark im Bereich des Vorschiffs, des Mittelschiffs und des Hinterschiffs. Die größten Eisverstärkungen befinden sich aus naheliegenden Gründen im Vorschiffsbereich.
Im Bereich des Eisgürtels (50 Zentimeter über der Wasserlinie bis zwei Meter unter Wasser) ist die Außenhaut verstärkt mit Plattenstärken bis zu 16 Millimeter. Zu den oberen Decks hin nimmt die Plattenstärke bis auf sechs Millimeter ab. Weitere Verstärkungen sind im Bereich des Vorstevens (Bug) angebracht: Der Wulstbug ist innen aus einem Stahlgussteil, das zum “Zerschneiden“ einer festen Eisdecke im Bereich der Wasserlinie dient. Dort sind die Außenhautplatten 19 Millimeter stark.
Auf ganzer Schiffslänge sind vom Doppelboden bis einschließlich Deck 2 (ca. sieben Meter über Kiel) Zusatzspanten in einem Abstand von 35 Zentimetern eingebaut (normaler Spantabstand 70 Zentimeter). Das gibt dem gesamten Schiffskörper mehr Festigkeit.
Auch bei der Antriebsanlage gibt es zahlreiche Maßnahmen, um die Eistauglichkeit des Schiffes zu gewährleisten: Die erforderliche Antriebsleistung ist vorgeschrieben, Propellerwellen, Getriebe und Ruderanlage sind verstärkt. Der Propeller ist aus Edelstahl (statt Bronze) und die Flügelspitzen sind verstärkt. Das Ruder ist bei Rückwärtsfahrt durch einen Eissporn geschützt. Am Bug des Schiffes sind eine Schleppklüse und starke Poller angeordnet, damit es gegebenenfalls von einem Eisbrecher geschleppt werden kann. Ein verstärktes Schiff ist schwerer als ein vergleichbares Schiff ohne Eisklasse und verursacht höhere Baukosten.
Ist die Hanseatic ein Eisbrecher? Nein, Eisbrecher sind Spezialschiffe mit sehr hoher Maschinenleistung (teilweise sogar mit Nuklearantrieb) und besonderer Rumpfform. Sie brechen für andere Schiffe eine Fahrrinne durch das Eis und dienen ausschließlich diesem Zweck.
Welche Eisstärken kann ein Schiff mit Eisklasse E4 bewältigen? Eine einfache Regel dafür gibt es nicht, es hängst jeweils von den Eigenschaften des Eises ab: von der Dicke der Eisberge, von der Bedeckung der Meeresoberfläche (ausgedrückt in Zehntel), vom Alter des Eises (einjährig oder mehrjährig) und von der Größe der Eisstücke (Schollen, Bergy Bits, Growlers).
Einige Beispiele:
• Eine Festeisdecke (einjähriges Eis) von 30–50 Zentimetern Dicke kann in der Regel mit ca. fünf Knoten konstanter Geschwindigkeit durchfahren werden. Stärkeres Eis kann gelegentlich durch “Rammen“ gebrochen werden.
• Packeis unterschiedlicher Dicke mit einer Bedeckung bis ca. 8/10 kann durch Beiseiteschieben der Schollen mit zwei bis drei Knoten durchfahren werden.
• Packeis mit einer Bedeckung von weniger als 4/10 kann meist ohne Eiskontakt mit einer größeren Geschwindigkeit unter Ausnützen der Lücken durchfahren werden.
• Brash Eis (sehr loses Packeis geringer Dichte) kann ohne weiteres mit zehn bis zwölf Knoten durchfahren werden.
• Für den Kontakt mit größeren Eisstücken (Growler oder Bergy Bits) ist die Eisverstärkung zwar nicht ausgelegt, bei zufälliger Berührung mit sehr langsamer Fahrt ist ein Schaden allerdings meist gering (“Beule“).
(Zusammengestellt von Kapitän Thilo Natke, Feb. 2000, aktualisiert August 2004)

Fleisch vom Spieß
Das Ethno Restaurant verwandelt sich heute Abend in eine Churrascaria. So nennt man südbrasilianische Restaurants, in denen vor allem Fleisch (Churrasco) angeboten wird. Der Name Rodizio (Kreislauf – das Fleisch wandert stetig vom Grill zum Gast) ist für diesen Restauranttyp auch geläufig. Alle Beilagen werden als Buffet aufgebaut. Das Fleisch, nacheinander unterschiedliche Cuts, wird vom Grillspieß serviert und zwar so lange bis die persönliche Fleischampel rot zeigt. Die ist eine Art Bierdeckel mit grüner Seite für – “Nun mal her mit dem Fleisch“ – und Rot für – “Erst mal stopp, ich kann nicht mehr“. Die Kölner kennen so etwas Ähnliches. Legt man den Deckel auf das Kölschglas, signalisiert man dem unermüdlich heranschleppenden Köbes – “Ich kann nit mih!“

Samstag, 22. November 2014 – Pølser Party
Ein klarer sonniger Tag, unser letzter in der Antarktis. In der Bucht vor Neko Harbour leuchten unzählige Eisberge im kristallklaren Wasser. Einige sind winzig, andere von stattlicher Größe. Der Schmelzprozess hat bizarre Formen ausgebildet. Zerklüftete Feenburgen, organische Gebilde, amorph – die größeren zumeist noch kubisch. Der Teil unter Wasser leuchtet hellblau im stahlblauen Meer. Die Berge rings um diese wunderschöne Bucht sind massiv vergletschert. Oft kann man sie kalben sehen. An Land treffen wir auf eine Kolonie Eselspinguine. Unter ihnen – lost in Translation – ein sichtlich irritierter Zügelpinguin. Die Fragen, wo bin ich hier gelandet und wo sind meinesgleichen, stehen ihm ins Gesicht geschrieben. Wir besteigen einen Berg und kommen kräftig ins Schwitzen. Die Sonne zeigt so viel Kraft, dass wir uns unserer roten Parkas entledigen können. Oben angekommen verabschiedet sich die Antarktis mit einem grandiosen Panoramablick und zauberhafter Corona um die Sonnenscheibe.
An Bord steht heute die Taufe eines neuen Zodiacs an – jedes trägt den Namen eines berühmten Seefahrers und Entdeckers. Die Passagiere haben Vorschläge eingereicht – ein kleiner Wettbewerb. Eine Dame aus Österreich gewinnt mit Thor Heyerdahl. Kapitän Natke moderiert, derweil schwimmt der Täufling besetzt mit den
Zodiacfahrern im Pool. Aus gegebenem Anlass findet eine Pølser Party statt. Mit reichlich Prickelstoff und Drinks auf Gletschereis. Rød pølse ist eine skandinavische Spezialität. Diese Brühwurst aus fein zerwirktem Schweinefleisch wird mit dem Farbstoff der Cochenille Läuse leuchtend rot gefärbt. Da dieser im Verdacht steht, Allergien zu verursachen, greift unsere Crew zur guten alten Brühwurst à la Frankfurter als Herzstück ordentlicher Hot Dogs. Mit allem, was dazugehört. Senf, Gurke, Zwiebel, Ketchup und Mayonnaise. Die Festivalband spielt dazu Schneewalzer, wie passend. Auf den Dachgestängen haben sich Zaungäste niedergelassen. Gierig auf die Chance wartend, etwas Essbares zu stibitzen. Eine gut organisierte Scheidenschnabelbande.

Sonntag, 23. November 2014 – Im wildesten Meer der Welt
Die Hanseatic durchfährt die Gerlache Strait, dann geht es ab durch die Boyd Strait bis wir in die legendäre Drake Passage Richtung Kap Hoorn einfahren. Diese Meeresstraße zwischen der Nordspitze der antarktischen Halbinsel und der Südspitze des südamerikanischen Kontinents wurde von Sir Francis Drake zufällig bei der Suche nach zwei verlorengegangenen Begleitschiffen entdeckt. Sie ist so gut wie frei von Inseln und ermöglicht, so dem Zirkumpolarstrom rings um den südlichen Globus zu driften. Diese Meeresströmung schottet den antarktischen Kontinent ab, verhindert das Vordringen wärmeren Wassers. Dies ist der Grund für die extreme Kälte der Südarktis. In der 700 Seemeilen breiten Passage treffen zwei gewaltige Ozeane aufeinander. Die Wassermassen des Südpazifiks und des Südatlantiks ringen tobend um die Vorherrschaft. Ihre Waffen: gewaltige Stürme und Mons-terwellen. Ihre Opfer: geschätzte 15.000 Seeleute.

Unter Deck
Unterhalb des Passagierbereichs ist das Reich von Guido Vlacic, dem leitenden Ingenieur. Mit einigen Ausnahmen sind er und seine Mannschaft für alles verantwortlich, was an Bord der MS Hanseatic entweder leuchtet oder sich bewegt. In Anbetracht der Schiffsgröße ist leicht zu schlussfolgern, dass dieses Unterfangen nicht ganz übersichtlich sein dürfte. Jedenfalls für einen Laien. Den gebürtigen Kroaten bringt nach fast 30 Jahren im Zeichen der Schiffstechnik nur noch sehr wenig aus der Ruhe. Als leitender Ingenieur ist er sicherlich nicht nur mit fast allen Glühbirnen an Bord vertraut, er wacht ebenso über die riesigen Maschinen, die für volle Kraft voraus sorgen. Jeder technische Ausfall geht in seinem Maschinen-Kontrollraum ein, wo gewissermaßen die gesamte Mechanik der Hanseatic zusammenläuft. Hier wird alles überwacht und gleichzeitig rückversichert. Das kann auf hoher See lebensrettend sein. Die Autorität des Kapitäns bleibt aber auch hier unangefochten, die Maschinisten sorgen dafür, dass ihm ein tadelloses Schiff zur Verfügung steht.
Eines der wichtigsten Geräte an Guido Vlacics Arbeitsplatz ist die Anlage, die den Hauptantrieb, also die Schiffsmotoren, überwacht. Es gibt an Bord nicht viel, was unabkömmlicher wäre. So wie alle Anlagen, die Maschinen kontrollieren, die für eine sichere Fahrt unbedingt erforderlich sind, ist auch diese in zweifacher Ausführung vorhanden. Auch der Verstellpropeller steht immer unter Beobachtung, schließlich ist er für die Geschwindigkeiten und schwierige Manövriermanöver verantwortlich. Das Prinzip des besonderen Rotors ist nicht ganz einfach zu verstehen, weshalb er bei vielen Passagieren berechtigte Fragen aufwirft, die vom leitenden Ingenieur geduldig beantwortet werden. Der Einstellwinkel der Propellerblätter ist variabel und kann bei durchlaufendem Motor verändert werden und so unterschiedliche Anforderungen an Richtung und Tempo erfüllen. Die Abläufe funktionieren alle reibungslos, auch wenn manche Technik auf den ersten Blick etwas veraltet erscheinen könnte. Zum Beispiel die Anzeige der Brennstoffversorgung, die schon vor über dreißig Jahren entwickelt wurde. An einem Bildschirm werden in grob gepixelten Feldern die einzelnen Tanks zuverlässig angezeigt. Das könnte nicht besser funktionieren und wird deshalb auch nicht überholt. Ganz simpel und doch sehr effektiv. Falls doch noch Unklarheiten bleiben, räumt Guido Vlacic sie ganz sicher aus. Kaum eine Frage neugieriger Gäste kann er nicht beantworten. Wie wird das Wasser für den täglichen Gebrauch bereitgestellt, wo landen die verschiedenen Abfälle, wie viele unterschiedliche Filter halten den Schiffsbetrieb am Laufen und wie wird man eigentlich leitender Ingenieur auf einem Kreuzfahrtsdampfer?
Er selbst absolvierte die Ausbildung in Kroatien. Das ist schon etwas länger her, doch an den Aufnahmekriterien hat sich bis heute kaum etwas geändert. Nicht nur ein allgemeines technisches Verständnis ist von Vorteil, sondern auch die guten Kenntnisse der englischen Sprache. Schließlich muss ein Schiffsingenieur an jedem Tag mit vielen verschiedenen Mitarbeitern aus verschiedenen Abteilungen kommunizieren, die aus allen möglichen Ländern der Welt stammen. Fast alle verbringen die Hälfte des Jahres an Bord. Manche Besatzungsmitglieder sogar mehr. Bei Guido Vlacic folgen auf drei Schiffsmonate drei Monate, die er zu Hause in Rijeka verbringt. Nach so langer Zeit auf dem Wasser ist es für ihn schwer vorstellbar, das ganze Jahr bei seiner Familie zu verbringen. Nichts gegen seine Frau, doch der Seefahrer in ihm gibt dem Fernweh immer wieder und nur zu gerne nach.

Schiffsdaten
Allgemeines: Flagge: Bahamas • Schiff ist registriert in: Nassau • Bauwerft: Rauma Yards, Rauma/Finnland • Stapellauf: 05.01.1991 • Übergabe: 01.03.1993 • Klassifizierung: DNV GL (germanischer Lord) • Klasse: 100 A5 E4, Passagierschiff mit höchster Eisklasse
Tonnage: Brutto: 8.378 BRZ • Netto: 2.554 NRZ • Schiffsgewicht: 4.735 mt • Tragfähigkeit: 1.177 mt
Abmessungen: Länge über alles: 122,83 m • Breite: 18,00 m • Breite (mit Brückennock): 20,40 m •Tiefgang max.: 4,91 m • Höhe: 37,00 m
Räumlichkeiten: Marco Polo Restaurant: 330 m2, 186 Plätze • Explorer Lounge + Bar: 315 m2, 176 + 10 Plätze • Observation Lounge + Bar: 176 m2, 90 + 10 Plätze • Bistro Lemaire: 135 m2, 74 Plätze • Darvin Hall (Kino): 83 m2, 85 Plätze • Schwimmbad (Außenpool): 35 m2 • Pool Bar • Boutique • Fitnessraum • Sauna/Dampfsauna • Whirlpool • Friseur + Massage • Fotolabor • Hospital
Passagierkabinen: 4 Suiten (2 Betten): 44 m2 • 84 Kabinen (2 Betten + 1 Schlafsofa): 22 m2 • 2 Kabinen (2 + 2 Betten): 22 m2 • 2 Kabinen (behindertengerecht): 22 m2 • 92 Kabinen insgesamt
Maschine: 2 Hauptmaschinen MAK 8M 453, 2.940 kW/600 rpm • 2 Verstellpropeller, Durchmesser 300 cm • 1 Bugstrahlruder KAMEWA TT, 770 kW • 2 Hilfsmaschinen MAK 6M 332, 1.200 kW/900 rpm • 2 Stabilisatoren BLOHM & VOSS • 2 Wellengeneratoren KAICK 1.300 kVA
Geschwindigkeit: 15 kn (ohne Wellengenerator) • 14 kn (mit Wellengenerator)
Rettungsausrüstung: 4 Tender WATERMANN, je 80 Pers. • 2 Ersatzboote WATERCRAFT, je 6 Pers. • 4 Rettungsinseln VIKING 25 DKF, je 25 Pers.
Zodiacs: 14 ZODIAC MARK V HD mit YANMAR 36 HP Außenbordmotoren

Ick heff mol en Hamborger Veermaster sehn
Der Abschiedsabend. Auftritt des berühmt berüchtigten Shanty Chors der 124 Mann starken Mannschaft. Ohne Gnade trällert der alle Gassenhauer der Seefahrtgeschichte runter. Die Shanty Piraten machen keine Gefangenen. “Wir lagen vor Madagaskar“, zu “Auf der Reeperbahn nachts um halb eins“ wird geschunkelt. Herzergreifend und gekonnt singen danach, offensichtlich karaokeerfahren, die zwei Philippinos Larry und Nelson wehmütige Abschiedslieder. “All my bags are packed, I’m ready to go“ und “I’m sailing“. Kein Abschiedsabend ohne Versteigerung der genutzten Seekarte. Ein bisschen aufgepimpt durch die sieben Housekeeping Damen. Kapität Natke zeigt Talent als Versteigerer, so geht denn das gute Stück für 1.600 Euro an die Besitzerin einer Bäckereikette. Eine schöne Spende für den Antarctic Heritage Trust.

Montag, 24. November 2014 – Geknickter Sturmvogel
Die Drake Passage zeigt sich selbst hier vor Kap Hoorn, dem wohl stürmischsten Winkel der Erde, ungewöhnlich ruhig. Der Brutkessel des Teufels hat auch eine milde Seite, mäßiger Wind, mäßiger Seegang, Luft und Meer tragen ein graues Gewand. Die Sicht ist durch Dunst stark eingeschränkt. Aber es ist tüchtig kalt. So kalt, dass die Gischt an den Fenstern gefriert. Kurz vor Kap Hoorn klart es etwas auf, so dass wir einigermaßen Sicht auf den allgemein als südlichsten Punkt Südamerikas bezeichneten Felsen haben. Die Diego Ramirez Inseln liegen noch südlicher. Auch Kap Hoorn ist die Spitze einer Insel der chilenischen Isla Hornos und somit kein echtes Kap. Im Windschatten einer Insel stoppt die Hanseatic auf und nimmt einen Lotsen an Bord. Er wird uns später sicher durch die Kanäle Richtung Ushuaia führen. Unter uns der größte Schiffsfriedhof der Welt. Schätzungsweise 800 Schiffe sind bei dem Versuch, das Kap zu umrunden, gesunken. Wenn es dem Kapitän eines Frachtenseglers gelang, wurde dieser Ehrenmitglied der ehrenwerten Kap-Hoornier-Gesellschaft. Bei gutem Wetter wie heute laufen viele Schiffe und Ausflugsboote aus Ushuaia die Insel an. Einmal auf Kap Hoorn gewesen zu sein – ein Muss für alle Abenteurer. Und ein Stempel im Pass, den man sich in der chilenischen Wetterstation holt, ist Beweis.
Wir booten aus. Ups, den Schwall der Dünung haben wir dann doch unterschätzt. Mal ist das Zodiac tief unter uns, dann hebt es sich mit der Welle und es heißt schnell rein, bevor es wieder absinkt. Auf einer steilen Stiege erklimmt man die Küste. Ihr Holz ist nass und glitschig. Moos- und Beerenpolster bilden eine fremdartige Vegetation im morastigen Grund. Wir pilgern zum berühmten Albatros Denkmal, das 1992 zu Ehren der hier ertrunkenen Seeleute errichtet wurde. Es war ausgelegt Stürmen von 200 Stundenkilometern zu trotzen. Offenbar aber reichte das nicht. Denn eine Hälfte liegt zerrissen am Boden und wartet geduldig auf seine Restaurierung. So ereilte denn das Denkmal das gleiche Schicksal wie diejenigen, zu deren Gedenken es geschaffen wurde. Durch Orkane vernichtet.
Hoch auf dem Bergrücken thront ein kleiner Leuchtturm mit angeschlossener Wetterstation, darin ein Souvenirshop. Besetzt ist das Ganze mit einem ulkigen Militärangestellten nebst Freundin und Pudel. Stolz erzählt dieser, dass Papa, der argentinische Papst, persönlich hier gewesen sei und in der winzigen zusammengebretterten Kapelle gepredigt habe.
Zurück an Bord gönne ich mir einen Becher Boullion, wird mittags immer angeboten, mit einem Spritzer Tabasco und dazu ein paar Salzcracker. Später wird in der Explorer Lounge ein bayerisch-österreichisches Buffet aufgebaut. Währenddessen ist unser Schiff in den Beagle-Kanal eingelaufen. Diese Wasserstraße im Süden Feuerlands verbindet, wie auch die nördliche Magellan-Straße, den Atlantik mit dem Pazifik. Der Beagle-Kanal gehört teils zu Chile und teils zu Argentinien, was lange Zeit zu Gebietsrangeleien zwischen den Staaten geführt hat. Noch immer streitet man sich wo es geht – so um die Bezeichnung “Südlichste Stadt der Welt”. Für Chile ist das Puerto Williams, das kurz vor uns liegt, für die Argentinier ist es Ushuaia, das Endziel unserer Reise. Puerto Williams sei mit nur 2.300 Einwohnern gar keine Stadt, reklamieren die Argentinier.
Um uns herum präsentiert sich Feuerland mit dramatischen Wolkengebilden und kargen, schneebedeckten Bergen. Zu ihren Füßen subarktische Regenwälder. Sattgrüne Wildnis mit herrlichem Baumbestand aus südlichen Buchen. Wir passieren ein pittoreskes Wrack, das von Seevögeln erobert wurde, kleine Siedlungen, Fischerboote liegen am Strand. Einige sind unterwegs zu ihren Fanggründen. Königskrabben sind ihre Hauptbeute. Kurz vor Port Williams zeigen sich erste große Fischverarbeitungsbetriebe. Auf Höhe der Stadt stoppen wir, um das Schiff aus Chile auszuklarieren. Dann nehmen wir wieder Fahrt auf. Das letzte Stück Seereise, 28 Meilen bis Ushuaia. 8.000 Kilometer haben wir nun insgesamt zurückgelegt und 16 Zodiactouren unternommen. Und wir alle haben gut und viel gegessen. Wir 184 Passagiere vertilgten 2.300 Kilogramm Fleisch und Wurstwaren, 830 Kilogramm Fische und Krustentiere, 2.500 Kilogramm Obst und ebenso viel Gemüse. Dazu tranken wir 780 Flaschen Wein, 510 Liter Bier und 230 Flaschen Sekt und Champagner. Ganz schön fleißig.
Am Abend erreichen wir Ushuaia. Die Behörden kommen an Bord, um die Einklarierung in Argentinien vorzunehmen. Nach Freigabe dürfen wir an Land, um das Städtchen mit immerhin 64.000 Einwohnern in Augenschein zu nehmen. Die Stadt lebt vom Tourismus aber auch vom Fischfang, wovon gewaltige Trawler und Langleinenboote im Hafen zeugen. Die Nähe zum Feuerland Nationalpark und das Ende der legendären Panamericana sorgen für ein hohes Tourismusaufkommen. Zudem ist die Stadt Start- und Endpunkt für die meisten Antarktis- expeditionen und Kreuzfahrten. An Land besuchen wir ein paar Pubs und nehmen Abschiedsdrinks. Leicht wehmütig beschwipst pinnen auch wir unsere Namen nebst einem Spruch an die Wand, so wie es schon Hunderte von Touristen vor uns getan haben.

Dienstag, 24. November 2014
Unser Gepäck wird zum Flughafen gebracht. Wir selbst haben noch etwas Zeit, der Flug geht erst am frühen Nachmittag. So nutzen wir die Gelegenheit, an einer Bustour durch den Feuerland Nationalpark teilzunehmen. Feuerland nennt man die Inselgruppe südlich der Magellanstraße. Ferdinand Magellan war der erste Europäer, der dieses Land und die Gewässer erkundete. Der Schein der Lagerfeuer der indigenen Bevölkerung inspirierte ihn zur Namensgebung. Vier Indianervölker lebten einst hier, einige als Wasser und Landnomaden. Da Kleidung aufgrund des ständigen Regens stark durchnässt worden wäre, verzichteten sie darauf, schützten sich aber durch Auftragen von Fett gegen die Kälte. Das karge Land ernährt keine üppige Landtierwelt. Ein paar Guanakos, Kammratten und Schakale im Landesinneren, an der Küste Robben und Otter. Ausgesetzte kanadische Biber wurden zur Plage. Die Flora zeigt sich artenreich mit unterschiedlichen Vegetationszonen. Sommergrüne verwunschene Wälder mit üppigem Unterholz, viele wilde Johannisbeeren. An Baumrinden wuchern die gelben Knollen des “Indianerbrotes“ Cyttaria sp. Dieser Pilz war eine wichtige Nahrungsquelle der Ureinwohner. In Küstennähe verwehren die starken Stürme das Wachstum. Dort breitet sich eine Tundra mit eingebetteten Moosen aus. Diese einzigartige Landschaft sehen zu dürfen, ist in der Tat ein gelungener Abschluss einer spannenden Reise zu etlichen Traumzielen.

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