Joschi Walch/Christian Seiler: Rote Wand. Das Kochbuch. Christian Seiler Verlag, Wien 2020. 400 S., geb., Hardcover, 38 Euro
Die Restaurants im alpinen Raum haben einige große Vorteile, mit deren Hilfe sie heute stärker denn je ihr Profil schärfen. Wer in diese Gegend fährt, erwartet mittlerweile oft Regionales – die alpinen Ballermänner einmal ausgenommen. Man sitzt irgendwo in einer wunderbaren Gegend mit Blick auf Berge und Natur, es gibt klare lokale Traditionen und lokale Produkte, und sie schmecken mit dem retronasalen Akkord von Tannen, Fichten, Latschenkiefern, Heu und Kühen auch irgendwie ganz anders als anderswo. So etwas ist kein Klischee, sondern – gottseidank – immer noch klare Realität.
„Walch’s Rote Wand Gourmethotel“ liegt etwas außerhalb des Ortskerns von Lech am Arlberg in einer prächtigen Umgebung. Man pflegt dort ästhetisch eine Mischung aus Tradition, nicht zu aufdringlicher Moderne und Purismus, was auch für das kulinarische Programm des Hauses gilt. Wie viele große Hotels in dieser Gegend legt man viel Wert auf ein komplettes Programm, das mit einem exzellenten Frühstück beginnt und mit Fine Dining am Abend enden kann – mit Mittagessen zwischendurch oder Kaffee am Nachmittag, mit Bar und Chef’s Table, man kennt das, einerseits. Andererseits achtet man in der „Roten Wand“ aber kulinarisch sehr viel mehr auf den Zusammenhang, auf eine Deklination alpiner Stilistik in allen möglichen Formaten mit eher begrenzten Ausflügen in die große weite Welt im Gourmet-Chef’s Table, der mittlerweile zu 18 Gault Millau Punkten gekommen ist.
Das Buch
Der Untertitel des Buches lautet: „Eine Liebeserklärung an die alpine Küche“. Insofern ist die Bildsprache des Buches in den ab und zu eingestreuten Aufnahmen von Natur, altem Holz und traditionellen Accessoires ebenfalls traditionell gehalten. „Die Rote Wand ist ein kulinarisches Kompetenzzentrum“, heißt es gleich zu Beginn, und weiter: „Meine Mama Burgi kümmerte sich, seit es die Rote Wand gibt, darum, dass in der Küche alles passt. Sie gab acht, dass der Schweinsbraten mit einer perfekten Kruste aus dem Ofen kam.“ So gerüstet geht es in diesem Buch um alles, was sich hier kulinarisch abspielt. „Das Frühstück“ ist das erste Kapitel. Es folgen „Die Wirtshausküche“, „Die süße Jause“, „Das Fondue“, „Die Abendmenüs“, „Die Cocktails“, „Der Rote Wand Chef’s Table“ (das umfangreichste Kapitel) und „Alkoholfreie Getränke“. Es gibt kurze Einleitungen zu den Kapiteln, ansonsten bleibt man konsequent bei den Rezepten.
Hier einige Beispiele dazu: „Omelette mit Speck, Hochalpkäse und Eierschwammerl“, „Röstbrot mit Tomate und Guter-Heinrich-Pesto“ (beides Frühstück), das eher selten anzutreffende „Backfleisch mit Röstkartoffeln und Krenmayonnaise“, „Käsknöpfle“ (beides Wirtshaus). Die Abendmenüs haben einen besonders intensiven regionalen Schwerpunkt, der vor allem auf einer engen Verbindung zu regionalen Erzeugern/Lieferanten beruht: „Ravioli vom Flötzerhuhn mit Maiscreme und Kräuteröl“, „Zander mit Graupen-Wirsing-Risotto, Speckschaum und Wirsingchip“, „Hirschrücken mit Kartoffelbaumkuchen, Steinpilzen und gebratener Marille“. Der „Chef’s Table im Schualhaus“ hat 14 Plätze, die um 18 oder 20.30 Uhr gebucht werden können. Koch ist Max Natmessnig, der u.a. in Heinz Reitbauers „Steirereck“, im „Oud Sluis“ von Sergio Herman, in Daniel Humms „Nomad“ und im „Chef’s Table at Brooklyn Fare“ gearbeitet hat. Beispiele: „Waffeln mit Hühnerleberparfait und eingelegtem Sanddorn“, „Enten-Gyoza mit roh mariniertem Spitzkraut“, „Blutwurst mit gepökelter Kalbszunge und eingelegten Ribiseln“, „Bergforellen-Ceviche mit Apfel, Kohlrabi und Korianderöl“ oder „Gedämpfter Rehrücken mit gegrillter Roter Rübe, Rote-Rüben-Vinaigrette und Rote-Rüben-Chips“. Das ganze Programm hat klar strukturierte, von den Ideen und weniger von einer komplexen Zubereitung getragene Ideen, ist also eher produktnah gedacht. Das fällt insgesamt auf und lässt auf eine Art „Oberregie“ für das kulinarische Programm des Hauses schließen.
Fazit
Auch andere große Hotels haben eine vielfältige Gastronomie, die die verschiedensten Bedürfnisse bedienen soll. Dabei geht es aber eher um eine Diversifizierung des Angebotes und eher selten um eine zusammenhängende Stilistik, die zu jeder Zeit und in jedem Format nahe an der kulinarisch-regionalen Identität des Hauses ist. Im alpinen Raum findet man eine ganze Reihe solcher zusammenhängender Konzepte (etwa: Döllerer’s Genusswelten in Golling), bei uns – und vor allem auf dem auf dem „platten Land“ – ist die enge Anbindung an eine Region eher selten zu finden. Das Buch ist insofern eine gute Anregung für Leute, die ihr Programm vielleicht einmal vom internationalen Mainstream entkoppeln wollen. Speziell die Schärfung des Profils der unterschiedlichen kulinarischen Ebenen zwischen Wirtshaus, Abendmenüs und Chef’s Table ist in diesem Buch interessant.
Den Leser erwarten Anregungen und durchaus gute Ideen – vor allem bei den Abendmenüs und dem Chef’s Table.
Das Buch bekommt 2 grüne BB
Fotos © Christian Seiler Verlag / Ingo Pertramer