115mal grüne Gerichte von spanischen Spitzenköchen.

El Libro Verde. La sostenabilidad en la alta cocina. 115 creaciones iconicas en clave vegetal. Montagud Editores, Barcelona 2021. 256 S., Broschur, 55.10 Euro (etwas größer als DIN A5, in spanischer Sprache)

Vorbemerkung 1: Für mich als Journalist ist es selbstverständlich, dass ich mich auch sprachlich international orientieren kann, zumindest in den gängigen Sprachen und zumindest dann, wenn es um das Lesen und Verstehen von Rezepten geht. Das kulinarische Wissen strukturiert sich schon seit Jahrzehnten völlig anders, als das früher der Fall war. Bis etwa in die 90er Jahre hinein waren die Franzosen auch bei den Kochbüchern das Maß aller Dinge. Fast alle Kochbücher außerhalb von Mitteleuropa waren mehr oder weniger epigonal. Natürlich gab es überall gute Köche. Aber wenn man ihre Bücher in die Hand nahm, winkte man oft schnell wieder ab, weil es allzu deutlich wurde, dass man es mit Köchen zu tun hatte, die irgendwie versuchten, die französischen Topstars nachzuahmen. Schon wenig später musste man dann unbedingt eine Sammlung internationaler Bücher haben, weil man sonst keinen Überblick mehr bekommen hätte. Heute sind die Kochbücher der besten Köche leider seltener geworden, dabei aber nach wie vor überaus wichtig. Die Online-Bilder sind da kein Ersatz, und falls man sich die Arbeit eines Kochs wirklich ansehen will, muss man auch dort in der Regel lange suchen, um überhaupt genug Material zusammenzubekommen. Das, was ansonsten in deutschen Zeitungen und Magazinen an Kochbüchern erwähnt wird, hat mit der Entwicklung der internationalen Kochkunst meist überhaupt nichts mehr zu tun. Das ist eher betreutes Kochen für kulinarische Analphabeten.

Vorbemerkung 2: Was hat man von einem Kochbuch, wenn man die Sprache nicht versteht? Für viele interessierte Leser ist natürlich die Sprache eine echte Barriere. Wenn man sich nur die Bilder ansieht, bekommt man natürlich auch schon einige Eindrücke. Aber – die Bilder können gewaltig täuschen und ähnliche Gerichte können – bei fast gleicher Optik – einen völlig anderen Geschmack haben. Insofern muss man ein Stück weiter kommen – am besten so weit, dass man die Rezepte (inklusive der Erläuterungen) versteht. Das sollte man als Profi in den wichtigsten Sprachen können. Wer jetzt abwinkt, sollte es einmal versuchen, es ist nicht so schwer, wie es aussieht. Die Ähnlichkeiten in den Produktnamen und bei den Begriffen für die Zubereitung sind groß, und man kommt oft mit einem kleinen Stamm von Grundbegriffen sehr weit. Ein paar mal mit einem Sprachführer (es gibt auch kulinarische) gearbeitet und man hat klare erste Orientierungen. Je mehr Sprachen man dann nutzen kann, desto klarer wird auch, wie groß die Ähnlichkeiten in vielen Wortstämmen sind, das Lesen und Verstehen wird also noch leichter.

Insofern mache ich hier bei www.eat-drink-think.de bei interessanten Kochbüchern keinerlei sprachliche Einschränkungen. Wenn etwas interessant ist, ist es für mich ein Thema.

 

Das Buch

Trotz des hochkarätigen Inhalts ist dieses Buch vergleichsweise bescheiden aufgemacht, hat aber seinen Preis. Ganz offensichtlich geht soll es vor allem um den Inhalt gehen, wobei die Herstellung – wie bei allen Sammelbänden – relativ aufwändig scheint. Es geht um eine Sammlung von Rezepten spanischer Spitzenköche unter dem Aspekt der Nachhaltigkeit, um 115 „ikonische“ Kreationen aus der Gemüse- Abteilung. Ganz offensichtlich ist dieses Buchkonzept nicht als schönes Coffeetable-Book gedacht und auch nicht für Leute, die sich umfassend mit dem Thema „Nachhaltigkeit“ beschäftigen wollen. Es geht um Information und sonst nichts, um eine Sammlung hervorragender und/oder markanter (meist) vegetarischer Gerichte. Das Vorwort ist winzig, dann gibt es Inhaltsverzeichnis und ein Verzeichnis der beteiligten Köche/Restaurants, das ist alles. Die Rezepte stammen von 44 Köchen, darunter so gut wie Alles, was Rang und Namen hat. Ferran Adrià (mit elBulli-Rezepten) ist dabei, Quique Dacosta, Dani Garcia, die Roca-Brüder, Eneko Atxa, Andoni Luis Aduriz, Pedro Subijana, Martin Berasategui, Elene Arzak, Jordi Cruz usw. usf.

Die Bilder füllen oft noch nicht einmal eine Seite und sind von der Aufmachung her sehr unterschiedlich. Ein Blick in das Impressum zeigt, dass sie aus dem hochspezialisierten Magazin für kreative Küche „Apicius“ stammen, also aus einem Magazin, das im gleichen Verlag erscheint. Die „Zweitverwertung“ macht dennoch ausgesprochen viel Sinn. Einmal ist das „Apicius“ bei uns schlecht zu bekommen und recht teuer, und zum anderen kommen hier auch noch Dinge zusammen, die aus etlichen Jahren stammen. Da müsste man dann schon alle „Apicius“ – Hefte haben. Kurz und gut: das Luxuriöse liegt hier im Inhalt und nicht in der Verpackung. Wie man das aus „Apicius“ her kennt, sind die Rezepte ausführlich beschrieben und kochtechnisch kompromisslos – also manchmal auch sehr aufwändig.

Inhaltlich wird schnell etwas deutlich, das man schon immer über die Spitzenküche gesagt hat: man hat schon (und gerade in Spanien) viele Jahre lang Gemüse-etc.-Gerichte im Programm, und diese Gerichte haben natürlich das Niveau hervorragender Köche. Sie sind insofern vielen sonstigen Gerichten überlegen, die zwar vegetarisch angelegt sind, dies aber oft auf einem kulinarisch niedrigen Niveau realisieren. Die Assemblage-Techniken in vielen vegetarischen Büchern täuschen mit ihrer optischen Vielfalt oft darüber hinweg, dass die zugrunde liegenden Konzepte weder aromatisch noch strukturell besonders sinn voll sind.

Hier also gibt es Material von Könnern, etwa einen regionalen Spargel mit Kardamom und Orangen, Suppe von Tomatenherzen, Knoblauchpilze mit frittierten Eiern, „Obstgarten“, Chicoree, Artischocken und Blaubeeren, Salat von Frühlingskräutern und -blüten mit einem Stevia-Schaum, Gegrillte Beeren, Samen und Gemüsekeime (die beiden letzten Rezepte übrigens von Quique Dacosta), Gemüse und Schnecken, Kalte Suppe von Gemüse und Austern usw. Das Programm ist eindeutig an der kreativen Küche orientiert, vom Schwierigkeitsgrad her aber sehr unterschiedlich. Darauf kommt es hier allerdings auch kaum an, weil der Charakter des Buches als inspirierende Sammlung im Vordergrund steht.

 

 

Fazit

Ein optisch nicht besonders spektakuläres Buch mit einem vorwiegend funktional-informativen Inhalt. So etwas könnte Schule machen, sozusagen als Information für Hochinteressierte, sollte dann aber vielleicht etwas preisgünstiger sein. Auf dem Weg zu einer – bisher eher selten zu beobachtenden – Professionalisierung der ganzen Kochkunst-Szenerie wäre das sehr hilfreich. Die vor kurzem hier besprochene, ebenfalls aus Spanien stammende Sammlung von Rezepten der Regionalküche liegt auch auf dieser Linie. Es gab früher einmal Sammlungen im gewerblichen Bereich – für Vorspeisen, für Fisch, Fleisch Desserts usw., die leider oft noch „im alten Bewußtsein“ als Lehrbuch für JungköchInnen gedacht waren, mit Gerichten, die oft in der eher einfachen Gastronomie Verwendung finden sollten. Das Prinzip, vor allem Information zu bieten, ist natürlich gut. Es könnte allerdings noch einen Tick besser gemacht werden, vielleicht systematischer, vielleicht dokumentarischer, je nachdem.

Das Buch bekommt wegen des kreativen Inhalts 2 grüne B

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